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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Ryuko, der fromme Buddhist, sehnte zugleich die spirituelle Erleuchtung herbei, die ihn von solch weltlichen Wünschen befreien konnte. Er betete noch inniger als zuvor und widmete sich noch hingebungsvoller der wohltätigen Arbeit. Indem er seine angeborene politische Begabung nutzte, stieg er in der Tempelhierarchie auf. Doch es half alles nichts. Das Verlangen nach Macht und Reichtum blieb.
    Und dann war er mit Fürstin Keisho-in zusammengetroffen …
    »Dies hier«, erklärte Ryuko nun seiner Gönnerin, »wird der Empfangsraum für den Shôgun und sein Gefolge, wenn er den Hundepalast besucht.«
    »Oh, das ist wundervoll!« Fürstin Keisho-in seufzte selig. »Gewiss wird die Güte meines Sohnes die Glücksgötter dazu bewegen, ihm einen Erben zu schenken. – Mein liebster Ryuko, es war sehr klug von Euch, dass Ihr mir zum Bau des Hundepalasts geraten habt!«
    Nachdem der Shôgun nach vielen Jahren – zu vielen Jahren – noch immer keinen Sohn hatte, war seine Sorge um den Fortbestand des Tokugawa-Regimes so groß geworden, dass er keine Kosten und Mühen scheute, um die Götter gnädig zu stimmen. Weder Tokugawa Tsunayoshi noch seinen Ratgebern gefiel die Vorstellung, einen Verwandten des jetzigen Herrschers zum neuen Diktator zu bestimmen und die Macht einem anderen Zweig der Familie zu übertragen. Deshalb hatte Fürstin Keisho-in sich mit der Bitte um Hilfe an Ryuko gewandt. Durch Gebete und Meditation hatte dieser eine mystische Lösung des Problems gefunden: Tokugawa Tsunayoshi musste sich das Recht auf einen Sohn erwerben, indem er durch eine großzügige Tat für die Sünden seiner Ahnen Buße tat. Und weil der Shôgun im Jahr des Hundes geboren war … Konnte es da eine bessere Geste des guten Willens geben, als sich zum Schirmherrn aller Hunde zu machen?
    Auf Ryukos Rat hin hatte Fürstin Keisho-in ihren Sohn davon überzeugt, das Gesetz zum Schutz der Hunde zu erlassen, welches zugleich Ryukos Ziel förderlich war, nach buddhistischer Tradition für das Wohl der Tiere zu sorgen. Als auch dieser Schritt nicht zum erhofften Erfolg führte und Tokugawa Tsunayoshi noch immer keinen Sohn bekam, hatte Ryuko einen noch radikaleren Schritt vorgeschlagen: den Bau des Hundepalasts. Die Provinzfürsten wurden zu Abgaben und zusätzlichen Steuern verpflichtet und die besten Zimmerleute Edos eingestellt, um die Bauten zu errichten. Ryuko war sicher, dass nach Fertigstellung des Hundepalasts die Geburt eines Tokugawa-Erben nicht ausbleiben würde, was wiederum Keisho-ins Einfluss auf den Shôgun erhöhen würde – und damit auch Ryukos. Aber das war Zukunftsmusik.
    »Ruht Euch ein wenig aus, Herrin.« Ryuko half Keisho-in, auf einem Baumstamm Platz zu nehmen, weit entfernt von den wartenden Soldaten der Eskorte. »Schauen wir ein Weilchen zu, wie die Arbeiten vorangehen, und lasst uns ein wenig reden, bevor wir wieder in den Palast zurückkehren.«
    Nachdem sie Platz genommen hatte, schnaufte die Fürstin erleichtert. »Ah, das tut gut. Ihr seid so umsichtig, mein Liebster. Also, worüber sollen wir uns unterhalten?«
    Ryuko betrachtete Keisho-ins ältliches Gesicht und nahm den vertrauten Geruch nach Duftwässern, Tabakrauch und Alter in sich auf. Sie waren nun schon so lange Zeit zusammen, dass Ryuko alle Gewohnheiten, Vorlieben und Bedürfnisse der Fürstin kannte – und somit das notwendige Wissen besaß, sich ihre Gunst zu bewahren. Aber wie gut kannte er die mächtigste Frau Japans wirklich? Mit einem Gefühl der Wehmut, das durch die gegenwärtige Gefahr noch verstärkt wurde, erinnerte er sich an den Tag, an dem sie einander kennen gelernt hatten.
    Tokugawa Tsunayoshi war damals gerade erst zum Shôgun aufgestiegen, und Fürstin Keisho-in war in den Zôjô-Tempel gekommen, um für eine lange und erfolgreiche Regentschaft ihres Sohnes zu beten. Dabei hatte sie Ryuko inmitten der Priester entdeckt, die sich versammelt hatten, um der Mutter des neuen Herrschers ihren Respekt zu bezeugen. Bei seinem Anblick mischten sich auf ihrem damals schon hässlichen, alten Gesicht Verwunderung und Begierde, eine Reaktion, die Ryuko häufig bei Besucherinnen des Tempels hervorrief, die gut aussehende Priester bewunderten. Keisho-in ließ ihr Gefolge vor der Gebetshalle halten und hatte sich mit Ryuko bekannt gemacht. Sie fühlte sich stark zu ihm hingezogen – genau so, wie sie andere junge Männer begehrte, die ihr Bedürfnis nach Gesellschaft und Sex befriedigen konnten. Mit der Zeit wurde Ryuko zum persönlichen

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