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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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nach all den Jahren jede Regung in ihrem Gesicht richtig deuten zu können; diesmal aber konnte er nicht erkennen, ob sie die Wahrheit sprach. »Eure Beziehung zu Konkubine Harume war … wie soll ich sagen … nicht ganz unschuldig«, meinte er schließlich.
    Die Fürstin brach in fröhliches Gelächter aus, das in einen Hustenanfall überging, sodass Ryuko ihr auf die Schulter klopfen musste.
    »Ach, mein Geliebter, Ihr seid so prüde!«, sagte Keisho-in. »Was macht es schon, dass Harume und ich uns hin und wieder ein wenig vergnügt haben? Wer sollte auf den Gedanken kommen, mein Verhältnis mit Harume könnte etwas mit ihrer Ermordung zu tun haben?«
    Sôsakan Sano, zum Beispiel, ging es Ryuko durch den Kopf, wenn er von eurem Verhältnis erfährt. Gerüchte verbreiteten sich im Inneren Schloss wie Lauffeuer, und Ryuko befürchtete, dass einer der Bediensteten Sano gegenüber eine unbedachte Bemerkung machen könnte.
    »Es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen, Liebster«, sagte Keisho-in.
    Hatte die Fürstin sich abgesichert, sodass Sano nichts herausfinden konnte, das gefährlich für sie war? Nein, so viel Verstand traute Ryuko seiner Gönnerin nicht zu. Üblicherweise überließ sie es ihm, sich um brisante Angelegenheiten zu kümmern. Liebend gern hätte Ryuko der Fürstin ein paar gezielte Fragen über Harume gestellt, doch der vorsichtige Politiker in ihm wollte die Antworten auf diese Fragen lieber gar nicht erst wissen: Falls sôsakan Sano die Fürstin des Mordes anklagte, konnte Ryuko sich nur dann vor einer Klage wegen Mittäterschaft schützen, wenn er so wenig belastendes Wissen wie möglich besaß. Also beschränkte Ryuko sich auf das Thema, wie sie sich gegenseitig schützen konnten.
    »Ihr habt sôsakan Sano Zugang zum Inneren Schloss gewährt, ohne mich vorher um Rat zu fragen«, sagte Ryuko. »Das war, mit Verlaub, unklug von Euch. Ich empfehle Euch, etwas zu unternehmen, um den Ermittlungen des sôsakan ein Ende zu bereiten.«
    Unwirsch verzog Keisho-in das Gesicht und wischte Ryukos Bemerkung mit einer Handbewegung beiseite. »Hört endlich auf, in Rätseln zu sprechen. Lasst Sano nachforschen, wo und was er will. Was kann er mir schon anhaben?« Selbstgerecht, jedoch voller Würde fügte sie hinzu: »Schließlich bin ich keine Mörderin. Ich bin unschuldig.«
    Wirklich?, fragte sich Ryuko. Keisho-in war bekannt dafür, dass sie sich mehr als einmal unsterblich in junge Männer und Frauen verliebt hatte, doch keinem von ihnen war es gelungen, ihr schier unstillbares Verlangen nach Bewunderung zu befriedigen. Jedes Mal, wenn eine Affäre endete, war Fürstin Keisho-in in hysterische Wut- und Schmerzausbrüche verfallen. Für gewöhnlich hatte Ryuko sie davon befreien können, oder eine neue Beziehung hatte die Fürstin ihren Kummer vergessen lassen. Manchmal aber hatte Keisho-in sich unversöhnlich gezeigt. Besonders zwei Vorfälle waren Ryuko im Gedächtnis geblieben.
    Bei dem einen Fall war es um eine Konkubine namens Pfirsich gegangen, bei dem anderen um einen Wachsoldaten. Beide waren plötzlich aus dem Palast zu Edo verschwunden, nachdem sie Fürstin Keisho-in enttäuscht hatten. Niemand schien zu wissen, was aus Pfirsich und dem Wachsoldaten geworden war, ja, ob sie überhaupt noch lebten. Ryuko vermutete, dass die Fürstin die Ermordung der beiden befohlen hatte. Sollte Sano jemals von dieser Geschichte erfahren, würde er davon ausgehen, dass Keisho-in einen ähnlichen Racheakt an Konkubine Harume hatte verüben lassen. Also musste Ryuko dafür sorgen, dass die Fürstin erkannte, welche Gefahren sie heraufbeschwor, indem sie Sano die Ermittlungen weiterführen ließ.
    »Harume hat viel Zeit im Schlafgemach des Shôguns verbracht«, sagte Ryuko. »Und wenn sie nun schwanger gewesen ist …?«
    Fürstin Keisho-in blickte ihn verdutzt an und erwiderte: »Dann hätte ich erst recht einen Grund gehabt, Harume zu beschützen, denn ein Erbe war der größte Wunsch meines Sohnes – und auch der meine. Warum sonst hätte ich ihn wohl drängen sollen, den Hundepalast zu bauen?« Sie ließ den Blick über die Lichtung schweifen, auf der die Architekten sich angeregt über die Baupläne unterhielten und die Handwerker sägten und hämmerten.
    »Lasst es mich anders ausdrücken.« Ryuko erhob sich und ging auf und ab; nur mit Mühe bezwang er seine Ungeduld. »Was glaubt Ihr, geschieht mit Euch, wenn Eurem Sohn ein Erbe geboren wird?«
    Fürstin Keisho-in lachte. »Ich wäre die glücklichste

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