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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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zu treffen. Doch selbst falls sie noch Verbindung mit alten Freunden aus ihrer Jugendzeit gehabt hatte, ein Bauer oder ein gemeiner Bürger hätte niemals Zugang zu dem Tuschefässchen gehabt. Sano musste einsehen, dass auch dieser Weg in eine Sackgasse führte. »Hattet Ihr in letzter Zeit von Eurer Tochter gehört, oder habt Ihr sie gesehen?«, wollte Sano wissen.
    Ein Ausdruck des Unbehagens legte sich auf das Gesicht des Pferdehändlers. »Nun … ja. Vor ungefähr drei Monaten bekam ich eine Nachricht von Harume, in der sie mich bat, sie aus dem Palast nach Hause zu holen. Sie habe Angst, ließ sie mich wissen. Es schien, als hätte sie mit irgendjemandem Streit … an ihre genauen Worte kann ich mich nicht erinnern. Jedenfalls glaubte sie, ihr würde irgendetwas Schlimmes zustoßen, wenn sie nicht rechtzeitig verschwindet.«
    Sano spürte, wie sein Herz schneller schlug. »Hat Harume gesagt, vor wem sie sich fürchtete?«
    Jimba blinzelte nervös und schluckte schwer. Offenbar hatte er doch väterliche Gefühle für die Tochter gehegt, die er für seine ehrgeizigen Pläne benutzt hatte. Um ihm Zeit zu geben, die Fassung wieder zu erlangen, schaute Sano zu dem Samurai hinüber, der nun auf dem Streitross saß und langsam im Kreis über die Koppel ritt. Sano sah, dass der Mann einen Speer schwenkte, und musste an Leutnant Kushida denken. Sano hätte es sich einfach machen können: Wenn er Kushida für den Mord an Harume verantwortlich machte, konnte er den Shôgun damit zufrieden stellen und die Nachforschungen beenden. Doch indem Sano dem flüchtigen Geist der Ermordeten in die Vergangenheit gefolgt war, hatte er den Punkt überschritten, an dem ein so rascher und leichter Abschluss der Ermittlungen noch möglich gewesen wäre.
    »Nein«, erwiderte Jimba schließlich und verzog bedauernd das Gesicht. »Harume hat den Namen der Person, von der sie bedroht wurde, nicht genannt. Ich dachte, sie hätte bloß Heimweh, oder dass es ihr missfiele, mit dem Shôgun schlafen zu müssen, und dass sie sich deshalb irgendeine Geschichte ausgedacht hatte, damit ich sie aus dem Palast holte. Manchmal braucht ein Füllen eine Weile, um sich an einen neuen Stall zu gewöhnen.« Jimba grinste freudlos. »Nun, jedenfalls wollte ich das Geld nicht zurückgeben und den Shôgun auch nicht bitten, Harume gehen zu lassen. Das wäre eine Beleidigung für ihn gewesen. Nie wieder hätte ich Geschäfte mit den Tokugawa machen können! Und alle hätten gewusst, dass Harume eine in Unehren entlassene Konkubine gewesen wäre. Wie hätte ich jemals einen Ehemann für sie finden sollen? Sie wäre für den Rest meines Lebens eine Bürde für mich gewesen!«
    Die Stimme des Pferdehändlers wurde schrill. »Deshalb habe ich ihren Brief nicht beantwortet. Ich habe gar nicht erst herauszufinden versucht, ob es tatsächlich jemanden gegeben hat, der Harume ein Leid hat zufügen wollen. Wenn du sie gar nicht beachtest, sagte ich mir, wird sie klaglos ihre Pflicht tun.«
    »Habt Ihr Harumes Brief aufbewahrt? Darf ich ihn sehen?«
    »Es war keine schriftliche Nachricht. Sie wurde mir von einem Palastboten überbracht – mündlich.« Als Sano sich nach dem Boten erkundigte, erklärte Jimba: »Seinen Namen weiß ich nicht mehr, und ich kann mich auch nicht mehr an sein Aussehen erinnern.«
    Im Palast zu Edo gab es Hunderte von Boten, wie Sano wusste. Es war praktisch unmöglich herauszufinden, welcher von ihnen Jimba die Nachricht überbracht hatte, besonders dann, wenn Harume auf Diskretion wert gelegt und den Boten überredet hatte, die Nachricht aus Gefälligkeit mündlich und nicht schriftlich zu überbringen, ohne die offiziellen Kanäle zu benutzen, was eine Spur in den Akten hinterlassen hätte.
    »War jemand zugegen, als der Bote die Nachricht überbracht hat?«, erkundigte sich Sano.
    »Nein. Und ich habe auch niemandem davon erzählt, weil die Leute sonst vielleicht gedacht hätten, dass Harume Schwierigkeiten macht. Und nach ihrem Tod wollte ich nicht, dass jemand erfuhr, dass Harume Probleme hatte und ich ihr nicht habe zuhören wollen – ich habe mich zu sehr geschämt.«
    Sano beschloss, seine Sonderermittler auf die Suche nach dem Boten anzusetzen. Er hoffte, dass der Mann ein besseres Erinnerungsvermögen besaß als Jimba, falls seine Leute ihn fanden.
    »Ich bin schuld am Tod meiner Tochter«, jammerte Jimba, stützte die Arme auf den Zaun und barg den Kopf in den Händen. »Hätte ich ihre Ängste ernst genommen, hätte ich sie

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