Das Geheimnis
anderen Vergnügungsbetrieben vorüber. Hirata folgte dem Riesen. Vielleicht konnte der ihm sagen, wo die Ratte zu finden war.
Der Riese verschwand in einer Lücke zwischen der Raubtierschau und einem Esslokal. Eine Gruppe grölender Betrunkener taumelte Hirata vors Pferd und versperrte ihm für kurze Zeit den Weg; als er die Lücke zwischen den Gebäuden erreichte, war der Riese nicht mehr zu sehen. Hirata stieg vom Pferd und schlang die Zügel um einen Pfosten. Dann eilte er durch den schmalen Durchgang zwischen den Gebäuden, in dem es widerlich nach Urin roch, und gelangte hinter den Gebäuden auf eine Gasse. Gebrüll drang aus dem Raubtierzwinger; die Kochdünste der Essstuben lagen schwer in der Luft, und streunende Hunde durchwühlten übel riechende Abfalltonnen. Doch weit und breit war niemand zu sehen.
Hirata rannte an den verschlossenen Hintertüren der Läden vorüber. Plötzlich hörte er Stimmen: den derben Akzent der Ratte und das gedämpfte Raunen einer zweiten Person. Die beiden unterhielten sich im Hinterzimmer einer Teestube. Hirata spähte durch das Gitterfenster.
Die Ratte kauerte auf dem Boden, den Rücken Hirata zugekehrt, und nickte mit seinem zotteligen Kopf, während er einer Frau lauschte, die ihm gegenüber kniete. Ein Umhang verbarg Haar und Körper der Frau. In dem schwachen Tageslicht, das durchs Fenster fiel, konnte Hirata nur ihr Gesicht erkennen: schlicht und jung, mit geschwärzten Zähnen.
»Das Geschäft wird für uns beide von Vorteil sein«, sagte sie mit leiser, bittender Stimme. »Meine Familie wird ihren Frieden haben, und Eure Geschäfte werden blühen.«
»Also gut«, erwiderte die Ratte. »500 koban – mein letztes Wort.«
Die Frau neigte den Kopf. »Einverstanden. Wir können sofort gehen, dann könnt Ihr ihn gleich mitnehmen.«
Hirata hatte die Ratte des Öfteren bei derartigen Verhandlungen beobachtet und wusste, was vor sich ging. Er hob die Hand, um an die Tür zu klopfen, als er plötzlich Blicke im Rücken spürte: Jemand hatte sich hinter ihm herangeschlichen. Hirata wirbelte herum, als ihn auch schon starke Hände an den Schultern packten und ihn wie ein Kind von Boden hoben. Hirata blickte in das derbe Gesicht des Riesen, der für die Ratte arbeitete.
»Ich bin hier, um mit deinem Herrn zu sprechen«, erklärte Hirata und kämpfte gegen den stählernen Griff des Mannes an. »Lass mich herunter!«
Ein boshaftes Grinsen legte sich auf das Gesicht des Riesen. Voller Entsetzen fiel Hirata plötzlich wieder ein, dass der gigantische Mann taubstumm war. Mit markerschütternder Wucht stieß er Hirata gegen die Wand. Hirata zog sein Schwert. In diesem Augenblick öffnete sich knarrend die Tür.
»Was ist hier los?«, verlangte der Rattenmann zu wissen. Als er Hirata erkannte, der sich gegen seinen riesenhaften Diener wehrte, huschte er sofort herbei. »Hör auf, Kyojin!«, befahl er.
Der Riese stieß ein Gurgeln aus und wies auf das Fenster; offenbar wollte er seinem Herrn zu verstehen geben, dass Hirata gelauscht hatte.
»Der Mann ist Polizist«, sagte die Ratte mit langsamen, übertriebenen Lippenbewegungen; dazu gestikulierte er in einer Art Zeichensprache. »Lass ihn in Ruhe, bevor er dich tötet und mich ins Gefängnis wirft!«
Mit düsterer Miene ließ der Riese Hirata los und trat zurück. Hirata entspannte sich und schob sein Schwert zurück in die Scheide. »Wie schön, Euch so rasch wiederzusehen«, sagte die Ratte und lächelte scheinheilig. »Was kann ich heute für Euch tun?«
»Hast du Choyei gefunden, den fahrenden Drogenhändler?«
Der Rattenmann blickte nervös zur Tür und strich sich über die Barthaare. »Ich habe jetzt keine Zeit für ein Plauderstündchen. Ich befinde mich gerade in wichtigen Geschäftsverhandlungen.« Nach einem weiteren Blick durch die Tür riss er die Augen auf und rannte ins Hinterzimmer der Teestube; als er wieder zum Vorschein kam, fluchte er leise vor sich hin. »Sie ist verschwunden – muss sich vorne hinausgeschlichen haben.« Er zuckte mit den Schultern. »Na, egal. Sie kommt schon wieder. Schließlich will sie ihr missgebildetes Kind an mich verkaufen – als neue Attraktion für meine Monstrositätenschau«, fügte er hinzu und bestätigte damit Hiratas Verdacht. »Das arme Ding wurde ohne Füße geboren. Wer außer mir würde ein solches Kind schon haben wollen?« Er blickte Hirata an. »Was habt Ihr vorhin gefragt?«
»Der fahrende Drogenhändler …«, begann Hirata noch einmal.
»Ah.« Die winzigen
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