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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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mich nicht wiedererkennen. Ich hätte auch den abscheulichen Eigentümer dieser Monstrositätenschau beseitigt, denn er hat von dem Mord erfahren und wollte mich erpressen, aber ich bekam nicht die Gelegenheit dazu. Begreifst du denn nicht, Vetter, dass ich das alles nur getan habe, damit zwischen uns alles so bleibt, wie es war?«
    »Aber ich würde dich niemals verstoßen, Cousine!«, jammerte Fürst Miyagi. »Ich brauche dich. Vielleicht habe ich es dir noch nie gesagt, aber ich liebe dich.« Er streckte ihr die ineinander verschränkten Hände entgegen. »Bitte, lass die Gemahlin des sôsakan-sama los, und komm zu mir!«
    »Ich kann nicht.« Fürstin Miyagi trat einen Schritt näher an den Rand des Abgrunds heran. Sano schlug das Herz bis zum Hals; er blieb wie angewurzelt stehen und bedeutete auch Hirata innezuhalten. Jede falsche Bewegung konnte zur Katastrophe führen.
    »Ich habe gesehen, wie du dieses Weib hier angeschaut hast«, sagte die Fürstin. »Ich weiß, dass du sie begehrst. Es gibt nur eine Möglichkeit, um zu verhindern, dass sie dir einen Sohn schenkt: Ich muss auch sie töten.«
    Die Fürstin hob den Dolch und drückte Reiko die Spitze ins weiche Fleisch unter dem Kinn.
    »Hört zu!«, sagte Sano rasch und kämpfte darum, die Ruhe zu bewahren. »Euer Gemahl ist nicht der Vater von Harumes Kind. Er hat Euch nicht betrogen. Harume hatte einen anderen Liebhaber. Und Reiko ist mir treu. Sie würde mich niemals hintergehen. Also lasst sie los. Ich flehe Euch an …«
    Die Fürstin beantwortete Sanos Bitte mit einem ausdruckslosen Blick. Tief in ihrer Welt verwirrter und verschobener Wertvorstellungen versunken schien sie der Logik unzugänglich zu sein. Langsam drehte sie sich um und zerrte Reiko mit sich zum Rand des Abgrunds.
    »Nein!«
    Sano stürmte auf die Frauen zu, doch Hirata sprang ihm in den Weg und nahm Fürst Miyagi in einen Klammergriff. »Wenn Ihr der Gemahlin des sôsakan-sama etwas zuleide tut«, rief er der Fürstin zu, »werfe ich Euren Gatten in die Tiefe.«
    Auf diese Weise vorzugehen, hatte Sano gar nicht in Betracht gezogen; bislang waren seine Gedanken ausschließlich auf Reiko gerichtet gewesen. Jetzt hielt er den Atem an, während er beobachtete, wie der Kopf von Fürstin Miyagi herumruckte. Als sie den daimyo hilflos in Hiratas eisernem Griff sah, erstarrte sie und holte scharf Luft.
    »Hilf mir, Cousine! Ich will nicht sterben!«, rief Fürst Miyagi, der sich schluchzend in Hiratas stählernem Griff wand und hilflos mit den Beinen trat.
    »Ihr könnt Euren Gemahl retten«, sagte Sano zu der Fürstin, und neue Hoffnung keimte in ihm auf. »Ihr braucht nur den Dolch fallen zu lassen, und dann folgt mir dort entlang.« Er wies den Hügelhang hinunter. »Nehmt Vernunft an, und bringt Reiko zu mir.«
    Die Blicke der Fürstin huschten zwischen Sano, Reiko und Hirata hin und her. Dann stieß sie ein gequältes Stöhnen aus. Sano spürte, wie ihre Entschlossenheit ins Wanken geriet, doch sie rührte sich nicht.
    »Hirata?«, sagte Sano.
    Der junge Gefolgsmann zerrte den Fürsten bis zum Klippenrand.
    »Hilf mir, Cousine!«, kreischte der daimyo in Todesangst.
    Niemand sagte ein Wort, niemand bewegte sich. Nur die Geräusche des Windes und das Rauschen des Wassers waren in der Stille zu hören. Selbst das gewaltige Himmelsrad schien zu verharren, als hätten Mond und Sterne auf ihren Bahnen innegehalten, um das Geschehen zu verfolgen. Alles war in der Schwebe, alles konnte geschehen.
    Plötzlich erklang das Krachen von Ästen in dem bewaldeten Hang unterhalb. Die Geräusche hastiger Schritte waren zu hören, die rasch näher kamen. Dann brach ein Mann aus dem Waldstück hervor. Er trug einen schmutzigen, zerrissenen Kimono und hielt einen Speer in der Hand.
    »Leutnant Kushida!«, stieß Sano fassungslos hervor. Auch Hirata starrte den Leutnant an; auf seinem Gesicht spiegelten sich Staunen und Erschrecken. Der daimyo stieß ein gedämpftes Grunzen aus. Die Fürstin drehte sich leicht zur Seite und musterte den Leutnant. Unruhig huschten ihre Blicke von einem zum anderen, während sie ängstlich versuchte, alle zugleich im Auge zu behalten.
    » Er muss es gewesen sein, der uns durch das Waldstück gefolgt ist«, sagte Hirata. »Was tut er hier?«
    Der Leutnant beachtete Sano, Hirata, Reiko und Fürst Miyagi gar nicht. Stattdessen richtete er den Speer auf die Fürstin. »Dafür werdet Ihr sterben!«, rief er. Sein äffisches Gesicht war verschwitzt und schmutzig, und das verfilzte

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