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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Reiko, zur Sommervilla der Miyagis zu reisen.«
    Der kalte Wind zerrte an Sanos Umhang; der dichte Rauch aus den Laternen ließ ihn husten. Am Himmel folgte ihnen der Vollmond wie ein boshaftes Auge. »Trotzdem, Hirata … Ich hätte Reiko die Reise nicht allein machen lassen«, sagte Sano, nachdem er über die klugen Worte seines Gefolgsmannes nachgedacht hatte. »Ich wäre jetzt bei ihr.«
    »Die Miyagis wissen nicht, dass Reiko nun für Euch arbeitet«, sagte Hirata. »Ihr ist nichts geschehen, ganz bestimmt nicht.«
    »Wenn wir nicht rechtzeitig an Ort und Stelle sind, bringe ich mich um.« Sano konnte den Gedanken an ein Leben ohne Reiko nicht ertragen. Hätte er doch an seinem anfänglichen Entschluss festgehalten, dass Reiko sich nicht an den Ermittlungen beteiligen dürfe, selbst wenn das bedeutet hätte, sie zu Hause einzusperren und sich für immer von ihr zu entfremden. Zumindest wäre sie dann in Sicherheit gewesen. »Ich hätte ihr niemals erlauben dürfen, sich an den Nachforschungen zu beteiligen!«
    Sanos überstürzte Entscheidung – die er in einem Augenblick getroffen hatte, als die Liebe sein Urteilsvermögen beeinträchtigt hatte – konnte Reikos Verderben bedeuten. Sie war klug und tapfer, aber auch unerfahren und gutgläubig; es war seine Pflicht, sie zu beschützen, und er hatte versagt. Sano trieb das Pferd voran und lenkte es in eine schmale Schneise, die vom Hauptweg abbog. Vor dem Aufbruch aus der Stadt hatte er die Wachen am Anwesen der Miyagis gezwungen, ihm den Weg zur Sommervilla zu erklären, während Hirata den Sonderermittlern die Nachricht hatte zukommen lassen, ihm und Sano zu helfen. Doch die beiden hatten nicht auf die Verstärkung warten können.
    Der Weg wurde steiler und schmaler, bis sie schließlich von den Pferden steigen und die Tiere an den Zügeln zwischen schier endlosen Reihen hoher Bäume hindurch über den Weg führen mussten. Der Geruch von Fichten und toten Blättern lag in der Luft. Während Sano in der Pfütze aus Licht dahinstapfte, die seine Laterne warf, hatte er das albtraumhafte Gefühl, immer höher und höher zu klettern, ohne dass er sich vom Fleck rührte. Seine Muskeln brannten, und seine Brust schmerzte von den keuchenden Atemzügen. Ob es Reiko gut ging? Wie weit war es noch bis zur Villa?
    In der Nähe war zwischen den Bäumen ein knirschendes Geräusch zu hören. »Was war das?«, fragte Hirata, der Sano folgte.
    »Wahrscheinlich haben wir irgendein Tier aufgeschreckt«, erwiderte Sano, entschlossen, sich von nichts und niemandem vom Erreichen seines Ziels abhalten zu lassen. »Es spielt keine Rolle. Beeilung!«
    Schließlich gelangten sie auf eine ebene Lichtung, auf der die Villa stumm und düster emporragte. Vor den Stallungen standen zwei leere Sänften; in einer der beiden erkannte Sano seine eigene. »Hallo!«, rief er. »Ist da jemand?«
    Keine Antwort. Sano und Hirata banden die Laternen von den Sätteln, ließen die Pferde stehen und betraten die Villa durch eine unverschlossene Tür. Im Eingangsflur hingen Waffen in Wandregalen. Als Sano zwei Paar vertraute Schwerter erblickte, rannte er über den zugigen Flur und rief: »Ota! Fujisawa! Wo steckt ihr? Reiko!«
    Wieder keine Antwort. Doch Sano konnte Reikos Anwesenheit fühlen; sie war in der Nähe. Zur Rechten erschien eine riesige Küche. »Aus dem Herd steigt noch Rauch auf«, meinte Hirata. »Sie müssen hier irgendwo sein.«
    Plötzlich hörte Sano einen tiefen, rasselnden Laut, der zu einem Pfeifen anstieg und mit einem Geräusch endete, das wie ein Seufzer klang. Der Laut wiederholte sich. Er kam aus einem Zimmer hinter der Küche. Sano riss die Tür auf und stürmte in den Raum.
    Inmitten halb geleerter Tabletts mit Speisen und Getränken lagen zwölf Männer auf dem Boden. Sano erkannte Reikos Eskorte und seine beiden Sonderermittler. Ota schnarchte – das war das Geräusch, das Sano gehört hatte.
    »Sie schlafen!«, stieß Hirata hervor.
    Sano schüttelte Sonderermittler Ota. »Wach auf! Wo ist Reiko?«
    Ota gab einen röchelnden Laut von sich und schlief weiter.
    »Die sind ja alle betrunken!«, sagte Hirata empört.
    Sano schnüffelte an Otas Atem; es roch jedoch nicht nach Schnaps, sondern widerlich süß, wie nach angefaulten Aprikosen. Sano nahm Otas Trinkschale und hielt sie sich unter die Nase. Er nahm einen schwachen, fremdartigen Geruch wahr. »Es muss ein Schlafmittel gewesen sein«, sagte er. Seine Furcht um Reiko wurde zur schrecklichen Gewissheit, dass Fürstin

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