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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Miyagi die Absicht hatte, sie zu ermorden. Warum sonst hätte sie die Eskorte außer Gefecht setzen sollen? »Komm, Hirata, lass uns die Villa durchsuchen.«
    Was sie auch taten, sie fanden niemand.
    »Die Miyagis müssen mit Reiko nach draußen gegangen sein, um den Mond zu beobachten«, sagte Sano und eilte auch schon durch die Hintertür.
    Der Garten lag verlassen da, doch an der Spitze eines bewaldeten Hangs schien das Mondlicht auf ein kleines Bauwerk, dessen Silhouette sich gegen den Nachthimmel abzeichnete. Im Innern des Gebäudes brannte ein schwaches Licht. »Sie sind da oben«, sagte Sano.
    Die Laternen in den vorgestreckten Armen, kämpften er und Hirata sich durch das Waldstück den Hang hinauf, bis sie auf einen kaum sichtbaren, überwucherten Pfad stießen. Sie drangen weiter vor, wühlten sich durch Sträucher und Büsche, stiegen vorsichtig glatte Steilstücke hinauf, die mit Fichtennadeln und rutschigen Laub bedeckt waren, und kletterten über Felsblöcke und abgefallene Äste.
    »Ich glaube, da folgt uns jemand«, sagte Hirata.
    Doch Sano beachtete die Warnung nicht. Außer Atem trat er schließlich aus dem Wald und sah über sich, auf einer grasbewachsenen Hügelkuppe, einen Pavillon mit Strohdach. Hinter hölzernen Gitterwänden war das Licht einer Lampe zu erkennen, und hinter dem Pavillon, wo die vom Mondlicht beschienene Hügelkuppe und der schwarze, sternenübersäte Nachthimmel eine scharfe Linie bildeten, erklangen Stimmen.
    »Bitte, Cousine! Wenn du sie umbringst, machst du alles nur noch schlimmer!« Das war Fürst Miyagi; seine Stimme war schrill vor Verzweiflung.
    »Wir haben keine Wahl«, erwiderte Fürstin Miyagi.
    Während Sano und Hirata das kurze restliche Stück bis zur Hügelkuppe hinaufeilten, begann der Fürst zu schluchzen. »Damit kommst du nicht durch! Man wird dich wegen Mordes hinrichten! Und wie soll ich ohne dich zurechtkommen?«
    »Stimmt, das könntest du nicht.« Bitterer Triumph schwang in der Stimme der Fürstin mit. »Ich diene dir nun seit 33 Jahren. Stets habe ich deine Wünsche erfüllt und dich vor den Folgen deiner Abenteuer bewahrt. Ich habe damals das Mädchen von nebenan ermordet, weil sie dich dabei erwischt hat, wie du sie heimlich auf der Toilette beobachtet hast, als wir sie zu uns eingeladen hatten. Ich hatte mir Sorgen gemacht, dass sie uns Ärger bereiten könnte; also habe ich ihren Tee vergiftet. Jetzt muss ich wieder ein Mädchen beseitigen, damit niemand uns trennen kann – so einfach ist das.«
    Also hatte Fürstin Miyagi auch den noch ungelösten Mord begangen, den Magistrat Ueda erwähnt hatte. Wenngleich Sano von Furcht gepackt wurde, stieg zugleich Hoffnung in ihm auf. Was die Fürstin sagte, hörte sich an, als würde Reiko noch leben. Keuchend vor Anstrengung umrundete Sano den Pavillon und blieb schwankend stehen. Das Licht seiner Laterne fiel auf drei Gestalten, tauchte sie in flackerndes Gelb und tiefe schwarze Schatten. Fürst Miyagi kniete auf dem Gehweg, der am Rand eines Abgrunds entlangführte und an einem Fels endete, von dem es steil in eine finstere Kluft hinunterging. Aus der Tiefe war das Rauschen von Wasser zu hören. Fürstin Miyagi stand dicht am Rand der Klippe, ungefähr zehn Schritte entfernt. Sie hielt Reiko am Haar gepackt. Der Wind ließ die Umhänge der Frauen flattern.
    »Reiko!«, rief Sano.
    Der daimyo wandte Sano sein tränenüberströmtes Gesicht zu. Fürstin Miyagi wirbelte herum. Sie drückte Reiko einen Dolch an die Kehle. Reikos Gesicht war ein Maske des Grauens, doch als sie Sano erblickte, erschienen Freunde und Hoffnung in ihren Augen. Sie setzte zum Sprechen an, doch Fürstin Miyagi ritzte ihr mit der Spitze des Dolches die Haut. »Sei still!«
    »Lasst die Waffe fallen!«, befahl Sano der Fürstin, wobei er versuchte, die Panik aus seiner Stimme herauszuhalten. Das Entsetzen überfiel ihn wie ein wildes Tier. »Ihr seid wegen Mordes an Konkubine Harume und dem reisenden Händler Choyei verhaftet.« Sano vermutete, dass Reiko die Wahrheit entdeckt und damit die Verzweiflungstat der Fürstin herausgefordert hatte. »Es würde Euch nichts helfen, meine Frau zu töten.« Sano stellte die Laterne ab und winkte. »Lasst Reiko zu mir kommen.«
    »Bitte, tu was er sagt«, bettelte Fürst Miyagi.
    Die Hand der Fürstin zitterte, doch sie hielt Reiko noch immer fest gepackt und drückte ihr den Dolch an die Kehle. Ein Ausdruck der Verzweiflung erschien in ihren Augen. Ihr langes Haar flatterte im Wind. Sano

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