Das geheimnisvolle Gesicht
Burton. „Ich wollte um die Erlaubnis bitten, rasch einen Brief zum Postamt bringen zu dürfen.“
Als Burton stumm nickte, verbeugte er sich noch einmal und sagte: „Ich werde mich beeilen, Sir!“ Und zu Clifton: „Vielen Dank, Sir!“
Er schloß die Tür leise hinter sich.
Als Clifton an den Tisch zurückgekehrt war, starrte ihn der Makler verständnislos an. „Was sollte das alles, Mister Clifton? Hatte Henry nicht geklopft?“
„Ich bin sicher, daß er gelauscht hat!“
Irgendwo fiel im Haus eine Tür zu. Es mußte die schwere Haustür gewesen sein.
„Gelauscht? Warum sollte er? Was hätte er davon?“
„Diese Frage könnte nur er allein beantworten!“
Burton sah ziemlich hilflos drein. „Sie glauben nicht, daß er einen Brief zur Post bringen will?“
„Ich glaube, daß er diesen Brief nur als Alibi für den Fall dabei hatte, der ja nun eingetreten ist. Wie lange beschäftigen Sie ihn schon?“
„Lassen Sie mich nachrechnen“, Burton sah grübelnd zur Decke und sagte dann: „1965 machte Ronald eine Reise nach Kanada und Alaska. Dabei lernte er Henry Overgaty kennen... 1966 ließ er ihn dann nach London kommen. Seitdem ist er also im Haus. Seit sechs Jahren!“ Und nach einer Pause: „Ich hatte noch nie die geringsten Schwierigkeiten mit ihm. Ronald behauptete immer, mit Henrys Leben ließen sich mindestens zehn Bände mit Abenteuergeschichten füllen. Er war Fallensteller, Buschpilot, Landvermesser, Goldsucher und noch in drei Dutzend weiteren Berufen tätig, ja, er hing sehr an meinem Bruder. Und als das Unglück geschah, mußte ich ihn überreden dazubleiben.“
„Er wollte fort?“
„Ja. Gleich nach der Beerdigung!“
„Und wohin?“
„Ich kann Ihnen nur das wiedergeben, was er mir damals auf die gleiche Frage antwortete: Er zuckte mit den Achseln.“
„Wie kam er mit Ihrer Schwägerin aus?“
„Es gab keinen Anlaß zum Klagen. Vielleicht schon deshalb, weil er ein äußerst schweigsamer Mensch ist. Es gibt Tage, an denen spricht er kaum mehr als zehn Worte. Nein, nein, Mister Clifton, Sie irren sich bestimmt. Henry würde nie an einer Tür lauschen!“ Und irritiert fragte er: „Warum glauben Sie mir nicht?“
„Ich habe noch nie einen schweigsamen Abenteurer kennengelernt... Nun ja, betrachten wir das Kapitel Henry zunächst als erledigt.“
Burton nickte erfreut. „Sie haben recht. Es gibt wichtigere Dinge. Darf ich hoffen, daß Sie meinen Auftrag annehmen?“
„Zwei Fragen, Mister Burton: Hat Ihre verstorbene Schwägerin noch Angehörige. In Frankreich oder hier in England? Und: Besaß sie eine Lebensversicherung?“
„Zur ersten Frage kann ich Ihnen sagen, daß Claire außer einem jüngeren Bruder keine Verwandten mehr hat. Dieser Bruder heißt Albert und dient in der französischen Marine. Was die zweite Frage angeht: Ja, sie besaß eine Lebensversicherung!“
„Zu wessen Gunsten?“
„Zu meinen Gunsten!“
„Oh!“ Perry Cliftons Verwunderung war weder zu überhören noch zu übersehen. Um Burtons Lippen spielte ein eigenartiges, fast heiteres Lächeln. „Das, was Ihnen jetzt durch den Kopf geht, Mister Clifton, ging schon durch viele andere Köpfe: Der alte Burton läßt seine Schwägerin hoch versichern, stürzt sie anschließend ins Meer und kassiert die Versicherungssumme.“ Clifton schwieg wieder. Und automatisch fuhr Burton fort: „Mein Bruder besaß keine Lebensversicherung. Das heißt, wäre ich nicht gewesen, hätte sich Claire ihren Lebensunterhalt unter wesentlich unangenehmeren Bedingungen erarbeiten müssen.“ Nach einer kleinen Pause: „Nach Ronalds Tod schloß ich eine Lebensversicherung bei der PARTLAND ZU ihren Gunsten ab. Und zwar über 200 000 Pfund. Im Falle eines Unfalls sollte sie das Doppelte, also 400 000 Pfund erhalten... Viele Wochen später, ich weiß nicht mehr, was in mich gefahren war, erwähnte ich dummerweise diese Sache. Claire war außer sich und wollte, daß ich die Versicherung wieder rückgängig machen sollte. Als ich mich weigerte, bestand sie darauf, daß die Lebensversicherung in eine solche auf Gegenseitigkeit umgewandelt werden sollte.“
„Wenn ich richtig informiert bin, bedeutet das, daß derjenige Teil die Summe ausbezahlt bekommt, der überlebt.“ Burton nickte. Als Clifton sagte: „Da es sich bei Ihrer Schwägerin um einen Unfall handelte, haben Sie von der PARTLAND also 400 000 Pfund erhalten!“ winkte Burton ab. „Irrtum. Es waren nur 200 000... Die Versicherung stellte sich auf den
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