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Das geheimnisvolle Gesicht

Das geheimnisvolle Gesicht

Titel: Das geheimnisvolle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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Uhr 25
     
    Scheinbar sehr interessiert betrachtete der ältere Mann die Auslagen der drei Schaufenster. Er steckte in einem Wettermantel und trug auf dem Kopf eine flache Mütze, „HOLLBURN & SOHN“ stand in Goldbuchstaben über jedem Schaufenster. Und HOLLBURN & SOHN stand auch auf der Tür, durch die der Mann jetzt das Antiquitätengeschäft betrat.
    „Guten Morgen!“ sagte Penelope Ladbrok, ein lebender Teil der herumstehenden Antiquitäten. Ihr runzliges Gesicht, das auf einem dünnen Hals saß, der wiederum aus einem gestärkten Spitzenkragen ragte, lächelte den Kunden freundlich an. Das tat sie seit fünfzig Jahren schon. Und im Laufe dieser fünfzig Jahre hatte sie ein Gespür dafür entwickelt, wie hoch die Kaufkraft eines Kunden einzuschätzen war. Und diesen hier schätzte sie allerhöchstem auf einen Wasserkrug aus dem 19. Jahrhundert oder ein viktorianisches Riechfläschchen ein. Beides Gegenstände, die für zehn bis zwanzig Pfund zu haben waren.
    „Guten Morgen, Mylady!“ erwiderte der Mann im Wettermantel höflich. „Ich möchte mich ein bißchen umsehen, wenn Sie erlauben.“
    „Bitte sehr, selbstverständlich!“
    Die „Mylady“ tat Penelope fast so gut wie ein warmes Fußbad nach einem langen Spaziergang, und sie war gewillt, die Kaufkraft des in ihrer Gunst gestiegenen Kunden entsprechend anzuheben. Vielleicht interessierte er sich für eine Sunderland-Fingerschale für 60 Pfund? Oder wie wär’s mit der Newhall-Teekanne?
    Doch der Kunde schien nicht viel von Porzellan und Glas zu halten.
    Penelope runzelte die Stirn, als er vor einem Eichenschrank haltmachte. Sie tastete sich über den veloursausgelegten Boden näher.
    „Ein besonders massives Stück. Eiche, 17. Jahrhundert...“
    „Aha... Sehr interessant. Und das da?“
    Bei dem „das da?“ empfand Penelope fast körperlichen Schmerz. „Das da“, sagte sie pikiert, „ist ein Nußbaumsekretär mit Untergestell aus der Zeit von Queen Anne!“
    „Sieh mal an, der gefällt mir. Den nehme ich!“ sagte der Mann. Penelope schluckte, daß die gestärkten Spitzen hüpften. „Der Preis... der Preis...“, sie sah den Wettermantel, die Mütze, die derben Schuhe..., „der Preis ist 4000 Pfund, Sir!“ Das „Sir“ war ihr angesichts der 4000 Pfund herausgerutscht.“
    „Dann nehme ich ihn natürlich nicht!“ sagte der Mann.
    „Natürlich nicht!“ lächelte sie.
    „War ein Scherz!“ sagte er.
    „Natürlich!“ sagte sie.
    „Eigentlich war ich nur mal neugierig, weil mein Freund Clifton sagte, geh doch mal hin und sieh dich mal um, bei Hollburn & Sohn... Was es da alles für schöne Sachen gibt. .
    „Clifton?“
    „Ja, Perry Clifton. Kennen Sie ihn zufällig?“
    „Ich nicht, aber jemand anders!“ Sie räusperte sich, und es klang wie das krächzende Husten eines Igels, der zur nächtlichen Jagd auszog, und dann rief sie: „Julie!!“ Der Mann im Wettermantel zuckte unwillkürlich zusammen. (Man hörte es Penelopes Stimme wirklich nicht an, daß sie schon 64 Jahre alt war). Irgendwo klappte eine Tür.
    „Ja?“
    „Hier ist jemand für Sie! Ein Bekannter von Mister Clifton!“
    Julie Young kam heran, während Miß Penelope gekränkt abging.
    Julies braune Augen strahlten den alten Mann im Wettermantel an, während sie ihm die Hand entgegenstreckte.
    „Ich bin Julie Young! Und Sie sind ein Bekannter von Perry?“
    Ein wenig verlegen nickte der Mann, und vorsichtig schüttelte er die schmale, feste Hand. „So ist es. Mister Clifton... ich meine Perry hat mir schon eine Menge von Hollburn & Sohn erzählt... Na ja, und da ich gerade in der Gegend war, wollte ich mal reinschauen... Wenn er heute aus Basel anruft, werde ich ihm verraten, daß ich hier war!“
    „Wir haben gestern abend miteinander telefoniert“, verkündete Julie lebhaft. Und dann fiel ihr ein, daß sie gar nicht wußte, wer ihr Gegenüber war.
    „Sie haben noch gar nicht Ihren Namen gesagt!?“
    „Oh... Ich... bitte, entschuldigen Sie, Miß Julie. Ich heiße Archie Genter... Perry hat Ihnen sicher schon von mir erzählt.“
    Julie blies sich eine Strähne aus der Stirn, während sie nachdachte. „Eigentlich nicht“, sagte sie dann und fügte lachend hinzu: „Oder ich habe gerade nicht zugehört!“
    „Was erzählte er denn von Basel? Hatte er schon Erfolg?“
    „Nein!“ Julie schüttelte den Kopf und redete drauflos. Ohne Arg und Hemmungen: „Er war ziemlich niedergeschlagen. Dabei hatte er doch schon einen Zipfel in der Hand.“
    „Einen

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