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Das geheimnisvolle Gesicht

Das geheimnisvolle Gesicht

Titel: Das geheimnisvolle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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12 Uhr
     
    Mister Hollburn jun. saß in seinem Büro und studierte den neuesten Auktionskatalog von „Christie“, Penelope Ladbrok lag seit zehn Minuten auf dem Sofa im Personalzimmer und kämpfte gegen einen hartnäckigen Schluckauf an, während Julie Young ein Ehepaar verabschiedete, dem sie vergeblich versucht hatte, die Wertsteigerung einer antiken Standuhr aus Nußbaum klarzumachen. Aber entweder hielt sie der Ehemann für eine Zigeunerin, mit der man feilschen mußte, oder das Feilschen war sein Sonnabendvergnügen. Für das herrliche Stück aus dem 17. Jahrhundert mit wunderschönen Intarsien von Joseph Buckingham, das mit 1000 Pfund angesetzt war, wollte der Feilscher „höchstens sechshundert“ bezahlen.
    Julie geleitete das Pärchen zur Tür, als ihr Blick auf einen hochgeschossenen Jungen fiel. Er trug verwaschene Jeans, einen dunkelgrünen Rollkragenpulli und eine helle Jacke. Julie sah ihn nicht zum ersten Mal. Schon vorhin hatte er sich die Nase am Glas der Tür plattgedrückt. Als er jetzt Julies Blicke so direkt auf sich gerichtet sah, reckte er sich trotzig und marschierte auf sie zu. Dabei musterte er sie wie der Igel die Schnecke, bevor er sie frißt.
    „Hallo!“ sagte Julie und forderte ihn auf. „Komm herein, wenn du dir was ansehen willst!“
    Sie sagte es freundlich, aber der Junge schien diese Freundlichkeit zu bedauern. Ebenso wie er nach näherem Hinschauen feststellen mußte, daß sie nicht häßlich war. „Danke!“ sagte er und schob sich an ihr vorbei ins Innere des Ladens, in dem es so vornehm aussah und so eigenartig roch. „Also, was gefällt dir besonders?“
    Der junge Mann bekam rote Ohren, und als er das fühlte, wurden sie noch röter. Aber Dicki war keiner, der kniff: „Ich wollte Sie mir nur mal ansehen!“
    Das verschlug sogar Julie Young die Sprache. Sie, der es sonst nicht so leicht die Sprache verschlug, sagte nur:
    „Oh…“
    „Sie sind doch Miß Julie, oder?“ Julie nickte. Sie hatte sich inzwischen gefaßt und lächelte Dicki an.
    „Du weißt, wer ich bin, aber ich habe keine Ahnung, wer du bist. Findest du das gerecht?“
    „Ich bin Dicki Miller!“
    Julie Young brauchte nur ganze zwei Sekunden, um Dicki Miller in die richtige Schublade zu tun. Ihre braunen Augen strahlten Dicki voll ehrlicher Freude und Überraschung an. Dann stützte sie die Arme in die Hüften und fragte wie eine Tante, die zum ersten Mal ihren Neffen sieht: „Du bist also Dicki Miller aus Norwood?“
    „Ja!“
    „Der Dicki mit dem Großvater, der für alle Lebenslagen einen Spruch auf Lager hat? Und der Dicki, der Perry Cliftons bester Freund ist?“
    Er nickte. Julie streckte ihm die Hand entgegen: „Ich freue mich, dich kennenzulernen!“ Und entgegen aller Vorsätze schlug Dicki in Julies Hand ein. Eine Spur zu schnell, wie er fand — hinterher. Eigentlich war er ja nur gekommen, um an Julie Young irgendwas zu finden, das Perry Clifton eventuell übersehen haben könnte. Einen krummen Daumen, zum Beispiel... oder abstehende Ohren... eine zu große Nase... Vielleicht hatte sie an einer Hand nur vier Finger...? Und nun stand er da, während sie ihn ansah, als hätte er ihr was geschenkt.
    Julie hatte die Musterung lächelnd über sich ergehen lassen.
    „Na, was ist, Dicki. Bist du zufrieden mit mir?“
    Schon wieder das Malheur mit den Ohren. So was hatte er früher nie gehabt...
    „Sie scheinen ganz in Ordnung zu sein!“ gab er zu und hätte sich gewünscht, daß sein Tonfall zu ernsthaften Überlegungen ihrerseits Anlaß gegeben hätte. So aber klang es wie ein Kompliment. Zumindest Julie mußte es als solches aufgefaßt haben, denn das Strahlen ihrer Augen nahm schon fast peinliche Formen an, als sie antwortete: „Danke, Dicki! Ich glaube — ich werde dich ebenso mögen!“
    Dickis Verlegenheit steigerte sich zu echter Verwirrung. Und in dieser Verwirrung nahm er ein Weinglas von einer Konsole, warf es von der linken in die rechte Hand, von der rechten in die linke... Für einen Augenblick stand Julie vor Schreck gelähmt und starrte auf Dickis jonglierende Hände. Als er das Glas wieder mit der Rechten fing, machte sie einen raschen Schritt auf ihn zu und nahm es ihm aus der Hand. „Du hast mir einen gehörigen Schreck eingejagt!“
    „Ich habe noch nie was runterfallen lassen, Miß Julie!“ versicherte Dicki. Und ahnungslos: „Ist so was teuer?“
    „Das ist ein Weinglas aus dem 18. Jahrhundert, Dicki!“ Sie deutete auf den Kelch. „Siehst du, das hier, das

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