Das geheimnisvolle Gesicht
maßlos übertrieben, doch Skiffers Schilderungen zur Person des Kommissars Gaitner waren so amüsant und lustig, daß Perry Clifton das unstillbare Verlangen verspürte, diesen Mann kennenzulernen.
„Das Dumme bei der Sache ist nur“, erklärte Skiffer, „daß Gaitner inzwischen in Pension gegangen ist. Er machte damals gerade sein letztes Dienstjahr. Wenn du willst, gebe ich dir ein paar Zeilen für ihn mit. Seine Privatadresse mußt du allerdings allein herausfinden.“
„Die Zeilen nehme ich mit größtem Vergnügen an, und was die Adresse anbetrifft, so zitiere ich Dicki Miller: Ich bin ja nicht doof! Er ist übrigens maßlos eifersüchtig!“
„Auf Julie Young!“ lachte Skiffer. „Kann ich mir denken! Wenn er erfährt, daß du sie heiraten willst, wird er sich entrüstet von der Kriminalistik abwenden!“
„Pssst! Noch ist es nicht soweit! Hm...“ Perry Clifton schnitt plötzlich eine Grimasse und hielt inne.
„Was ist los? Ist dir Essig in die Augen gekommen?“
„Mir ist was eingefallen, Scotty!“ erwiderte Clifton und schien sichtlich verärgert darüber, daß das erst jetzt geschah. „Wegen Dicki?“
„Wegen Henry, Burtons Butler. Burton sagte doch vorhin, daß er seinen Wagen in die Garage gebracht habe, und er bedauerte gleichzeitig, daß Henry nicht Auto fahren könne. So war es doch?“
„Ja, so war es. Gibt’s daran was auszusetzen?“
„Hältst du es für möglich, daß ein Mann, der mal Buschpilot war, nicht Auto fahren kann?“
„War dieser Henry Buschpilot?“
„Ich höre noch ganz deutlich, wie Burton zu mir sagte, daß man mit Henrys Lebenserinnerungen Bände, ich glaube zehn, also zehn Bände mit Abenteuergeschichten füllen könnte. Er sei Fallensteller, Buschpilot, Landvermesser, Goldsucher und...“ Perry versuchte Burton wörtlich zu zitieren, „in drei Dutzend weiteren Berufen tätig gewesen... Buschpilot und Landvermesser und kann nicht Auto fahren?“
„Vielleicht will er nur nicht. Vielleicht hält er es unter seiner Würde, als Butler auch noch Chauffeur zu spielen. Bist du denn der Meinung, daß er nicht verheimlichen dürfe, daß er ein Auto fahren kann?“
„Hm... vielleicht hast du wirklich recht... aber nur vielleicht.“ Perry erhob sich. Da fiel ihm Skiffers Angebot ein, und er fragte: „Wie steht’s mit dem Brief, Scotty? Ich fliege morgen!“
„Schreiben soll ich auch noch“, brummte der und rieb sich mit dem Handrücken über das nicht mehr ganz glatte Kinn. „Wir kriegen nachher Besuch von einem Kunsthändler. Es geht da um spurlos verschwundene Expertisen...“
„Peter sagte etwas davon!“
„Paß auf, ich fahre heute noch nach Croydon zum Flugplatz. Auf dem Rückweg bringe ich dir den Brief an Gaitner vorbei. Einverstanden?“
„Einverstanden!“
„Aber es kann sehr spät werden!“
„Ich werde bestimmt auf dich warten.“
„So, dann entspann dich mal schnell, ich hol uns noch einen Becher Tee! Wir haben nämlich einen neuen Teeautomaten!“
Kurz nach 19 Uhr verließ Perry Clifton seinen Freund Skiffer. Als er den Ausgang passierte, war es 19 Uhr 03. Zur gleichen Zeit, fast auf die Minute genau, hielt vor einem teuren Appartementhaus in Kensingtons Collingham-Road ein Wagen. Er war hellblau. Das Auffälligste an ihm waren acht zusätzliche Halogenscheinwerfer, die allesamt vor dem Kühlergrill montiert waren.
Zwei Männer stiegen aus und gingen auf Eingang B 12 zu. Jedes Appartement hatte einen eigenen Eingang zur Straße.
P. M. MILLS stand auf dem verzierten Messingschild. Ausgeschrieben bedeutete das, daß der Bewohner dieses Appartements Patrick Martin Mills hieß.
Der eine der beiden Männer hatte schon die Hand auf dem Klingelknopf, als sein Begleiter vorschlug:
„Warte, wir klopfen lieber. Das Klingeln könnte ihn nur unnötig reizen!“
„Wird ohnehin Gift und Galle spucken, dieser arrogante Pinsel!“
„Er zahlt gut, und das ist die Hauptsache.“ Nach dieser Feststellung klopfte Jack McButton. Er klopfte noch ein zweites Mal. Dann drückte er auf die Klingel. Es klang, als schlage jemand im Inneren mit einem weichen, filzbezogenen Paukenschlegel sanft auf einen großen chinesischen Gong.
Schritte!
Die Tür wurde geöffnet. Das eben noch freundliche Gesicht verfinsterte sich. „Idioten!!“ zischte seine Stimme. „Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollten telefonieren!“
„Es ist was dazwischengekommen, Mister Mills. Und außerdem...“ Mills winkte hastig ab und flüsterte.
„Los, rein...
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