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Das geht auf keine Kuhhaut

Das geht auf keine Kuhhaut

Titel: Das geht auf keine Kuhhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Wagner
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altgermanische Gerichtsverhandlung. Deshalb bedeutete die Redewendung ursprünglich auch „jemanden für das Gericht festsetzen“. Auch in der Formulierung Sich verdingen
, was in Märchen gelegentlich Handwerksgesellen, aber auch inkognito reisende Königssöhne tun, um eine Prinzessin zu erlösen, kommt dieses „Ding“ noch vor, auch wenn es uns heute recht altmodisch deucht. Jedenfalls „verpflichten sie sich rechtswirksam“, auch wenn der Königssohn manchmal wegen der Heirat mit der schönen Prinzessin sein Dienstverhältnis kurzfristig abbrechen muss. Wenn jemand vor einer Gerichtsverhandlung flüchtete, hieß das auf Mittelhochdeutsch übrigens „dincflühtic“.

    |62| Sich an die eigene Nase fassen
    Selbsterkenntnis üben
    U ralte Rechtsbräuche begegnen einem immer wieder, wenn man sich mit auf den ersten Blick merkwürdig klingenden Redensarten beschäftigt. Auch hier haben wir es mit einer dieser wohl symbolisch gemeinten Gesten zu tun, die im Mittelalter zu einer Rechtshandlung gehörten bzw. einen Urteilsspruch erst gültig machten und dann über Jahrhunderte als – vom ursprünglichen Zusammenhang losgelöste – Gebärde oder eben als Redewendung überlebten. Diese hier geht möglicherweise darauf zurück, dass sich Personen, die andere beleidigt hatten, beim öffentlichen Widerruf die eigene Nase berühren mussten. Dies sollte wohl ausdrücken, dass man erst einmal bei sich selbst mit der Kritik anfangen sollte. Schon im 16. Jahrhundert wurde die Wendung im übertragenen Sinn verwendet, ebenso wie die vergleichbare, zuerst einmal vor der eigenen Haustür zu kehren.
    Brief und Siegel geben
    Gewissheit vermitteln
    M it dem klassischen Brief, der neuerdings in Gefahr ist, durch E-Mail, SMS & Co. verdrängt zu werden, haben wir es im ersten Teil dieser Redewendung nicht zu tun. Vielmehr leitet sich das Wort vom lat. „brevis libellus – kurzes Schreiben“ ab und meinte ursprünglich eine Urkunde, einen Erlass. Diese Bedeutung ist noch in Begriffen wie Meisterbrief, Frachtbrief und, hier besonders signifikant, Steckbrief enthalten, die ja alle nicht von übertriebener Eloquenz strotzen. Heutzutage sind selbst amtliche Benachrichtigungen oft mit dem Zusatz „Dieses Schreiben ist ohne Unterschrift der Dienststelle gültig“ versehen; früher wäre ein amtliches Dokument ohne Unterschrift und Siegel des Landesherrn das Papier nicht wert gewesen, auf dem es geschrieben stand. Später wurde das empfindliche Siegel, das ja in der Regel aus Wachs oder Siegellack bestand, durch den viel praktischeren Stempel ersetzt, woraus sich wiederum die Redewendungen Abgestempelt werden für „abwertend beurteilt werden“ und Stempeln gehen für „arbeitslos sein“ beziehen.

    |63|

    |64|

|65| Kapitel 3: Historisches
„Hinz und Kunz“
    Von Windmühlen und Schildbürgern

    |66|
    |67| „Nach Canossa gehen“
    eine Demütigung hinnehmen müssen

    D iese Redensart nimmt Bezug auf den Investiturstreit, in dem es darum ging, ob der Papst oder der König Bischöfe einsetzen durfte. König Heinrich IV. forderte öffentlich die Absetzung von Papst Gregor VII., woraufhin dieser den Kirchenbann aussprach, der Heinrichs spätere Aufnahme in den Himmel verhinderte und den Verlust der Königswürde zur Folge hatte. Heinrich musste versuchen, seine Seele – und seine Macht – dadurch zu retten, dass er den Papst um Verzeihung bat. Heinrich reiste also 1077 zur Burg Canossa westlich von Bologna, wo sich Gregor aufhielt. Der Papst ließ den König angeblich drei Tage lang „in Eis und Schnee” vor der Burg Buße tun. Schließlich hob Gregor den Bann auf; dafür erkannte Heinrich die Autorität des Papstes an. Die mittlerweile selten gehörte Redensart Jemanden in Acht und Bann tun umfasst als verstärkende Doppelformel die weltliche (Acht) und die geistliche (Bann) Version der Verurteilung.
    „Hinz und Kunz“
    jeder beliebige Mensch, die kleinen Leute
    I m Mittelalter trug eine große Zahl von Männern einen dieser Vornamen. Dazu muss man wissen, dass es sich um Kurzformen der Vornamen Heinrich und Konrad handelt, Namen vieler Fürsten dieser Zeit, auch mehrerer Könige. Kein Wunder, dass auch die einfachen Leute ihren Kindern solch „wichtige” Namen gaben, heute nennen viele Zeitgenossen ihre Kinder ja auch nach gerade angesagten „Promis“, Filmstars oder Fußballern. Das führte zu einer Inflation dieser Namen, während die bäuerliche Verkürzung – „Hinz“ hört sich nun mal nicht so königlich an wie

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