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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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lassen, und das Ergebnis war, daß dieser Saukerl
mir genommen hat, was ich auf der Welt am meisten geliebt
habe. Ich ging ins Dorf zur Landpolizei und bestach die
Gendarmen, ihn nicht zu verhaften, sondern ihn mir unauffällig
auszuliefern. In der Bar, im Frisiersalon, im Club und im
Farolito Rojo ließ ich verlauten, daß eine Belohnung erhielte,
wer ihn mir lebend brächte. »Vorsicht, Patron. Fangen Sie nicht
an, auf eigene Faust Gericht zu halten, die Zeiten haben sich
geändert seit den Brüdern Sánchez«, warnten sie mich. Aber ich
wollte sie nicht hören. Was hätte das Gericht in einem solchen
Fall getan? Nichts.
    Zwei Wochen vergingen, ohne daß irgend etwas geschah. Ich
ritt kreuz und quer durch das Gut, ich ritt in die Nachbargüter
ein, ich bespitzelte die Hintersassen. Ich war überzeugt, daß sie
den Jungen vor mir versteckt hielten. Ich erhöhte die Belohnung
und drohte den Gendarmen, sie wegen Unfähigkeit absetzen zu
lassen, aber alles war umsonst. Mit jeder Stunde, die verging,
wuchs meine Wut. Ich begann zu trinken, wie ich nicht einmal
in meinen Junggesellenjahren getrunken hatte. Ich schlief
schlecht und träumte wieder von Rosa. Eines Nachts träumte
ich, daß ich sie schlug, wie ich Clara geschlagen hatte, und daß
auch ihre Zähne über den Boden rollten. Ich schrie laut, als ich
erwachte, aber ich war allein und niemand konnte mich hören.
Ich war so deprimiert, daß ich mich nicht mehr rasierte, die
Kleider nicht mehr wechselte, ich badete nicht einmal mehr,
glaube ich. Das Essen kam mir verdorben vor, ich hatte einen
Gallegeschmack im Mund. Ich schlug mir die Knöchel an den
Wänden wund und ritt ein Pferd zuschanden, damit sich die Wut
legte, die mein Inneres zerfraß. Niemand sprach mich in diesen
Tagen an, die Dienstboten bedienten mich zitternd, und das
regte mich noch mehr auf.
Eines Tages rauchte ich vor der Siesta eine Zigarette im
    Gang, als ein braunhäutiger Bub zu mir kam und sich still vor
mich hinstellte. Er hieß Esteban García. Er war mein Enkel, aber
das wußte ich damals nicht, erst jetzt, nach dem Schrecklichen,
das auf seine Veranlassung geschehen ist, habe ich erfahren,
welche Verwandtschaft zwischen uns besteht. Er war auch ein
Enkel von Pancha García, einer Schwester von Pedro Segundo
García, an die ich mich, ehrlich gesagt, nicht mehr erinnere.
»Was willst du, Junge«, fragte ich das Kind.
     
»Ich weiß, wo Pedro Tercero García ist«, gab es zur Antwort.
    Ich sprang so heftig auf, daß der Korbstuhl umfiel, auf dem ich
saß, packte den Jungen an der Schulter und schüttelte ihn. »Wo?
Wo ist der Schuft?« schrie ich.
»Bekomme ich auch die Belohnung, Patron?« stammelte das
Kind erschrocken.
     
»Du bekommst sie. Aber erst will ich sicher sein, daß du nicht
lügst. Los, führ mich dahin, wo sich der Schurke aufhält.«
    Ich holte meine Flinte und wir gingen. Der Kleine sagte mir,
wir müßten reiten, Pedro Tercero habe sich im Sägewerk der
Lebus versteckt, das mehrere Meilen von den Drei Marien
entfernt liegt. Wieso war ich nicht von selbst darauf gekommen,
daß er dort sein könnte? Es war ein perfektes Versteck. Das
Sägewerk der Deutschen war zu dieser Jahreszeit geschlossen
und lag abseits von allen Wegen.
    »Wie hast du herausbekommen, daß Pedro Tercero dort ist?«
»Alle wissen es, Patron, außer Ihnen«, antwortete er.
Wir mußten im Trab reiten, weil man auf diesem.Gelände
    nicht galoppieren konnte. Das Sägewerk liegt tief in einem
Berghang, da konnte man die Tiere nicht hetzen. Aus lauter
Anstrengung, hochzukommen, schlugen die Pferde Funken aus
den Steinen. Ich glaube, das Klappern der Hufe war das einzige
Geräusch an diesem stillen, drückend heißen Nachmittag. Als
wir in die bewaldete Zone kamen, änderte sich die Landschaft,
es wurde frischer, weil die dichtgedrängten Bäume das
Sonnenlicht abhielten. Der Boden war ein dichter rotbrauner
Teppich, in dem die Hufe der Pferde weich aufsetzten. Nun
herrschte rings um uns vollkommene Stille. Vor mir ritt das
Kind auf dem ungesattelten Pferd, mit dem Tier verschmolzen,
als wäre es sein eigener Körper, und ich, meinen Zorn kauend,
ritt schweigend hinterher. Gelegentlich befiel mich eine
Traurigkeit, die stärker war als der Kummer, über dem ich so
lange gebrütet hatte, stärker selbst als mein Haß auf Pedro
Tercero García. Ein paar Stunden mußten vergangen sein, ehe
wir im Halbkreis einer Lichtung die flachen Schuppen des
Sägewerks

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