Das Geisterhaus
sahen. Der Geruch der Fichten war hier so intensiv,
daß er mich eine Zeitlang vom Zweck der Reise ablenkte. Die
Landschaft, der Wald, die Ruhe erschreckten mich. Aber diese
Schwäche dauerte nur eine Sekunde. »Du wartest hier und paßt
auf die Pferde auf. Rühr dich nicht von der Stelle.«
Ich stieg ab. Der Junge nahm mein Tier am Zügel, und ich
ging weiter, gedeckt, die Flinte schußbereit in den Händen. Ich
spürte weder meine sechzig Jahre noch die Schmerzen in
meinen morschen Knochen. Der Gedanke, mich zu rächen,
beflügelte mich. Aus einem der Schuppen stieg eine dünne
Rauchsäule auf, ich sah ein Pferd an der Tür angebunden und
schloß daraus, daß Pedro
Tercero dasein mußte. Die Zähne
klapperten mir vor Ungeduld, als ich mich von hinten an den
Schuppen heranpirschte. Ich überlegte mir, daß ich ihn nicht mit
dem ersten Schuß töten wollte, denn das ginge sehr rasch, und
meine Genugtuung wäre in einer Minute vorbei. Ich hatte so
lange gewartet, daß ich nun auch den Augenblick auskosten
wollte, in dem ich ihn kurz und klein schlug, aber ich durfte ihm
auch keine Gelegenheit geben, zu entkommen. Er war viel
jünger als ich, und wenn ich ihn nicht überraschen konnte, war
ich geliefert. Das Hemd klebte mir am Leib, so schwitzte ich,
und meine Augen waren verschleiert, aber ich fühlte mich wie
ein Zwanzigjähriger und stark wie ein Stier. Leise schlich ich
mich in den Schuppen, das Herz schlug mir wie eine Trommel.
Ich befand mich in einem großen Raum, dessen Boden mit
Sägemehl bedeckt war. Zwischen Stapeln von Holz standen ein
paar Maschinen, die zum Schutz gegen den Staub mit Segeltuch
zugedeckt waren. Ich ging weiter, dicht an den Holzstapeln, die
mir Deckung gaben, und plötzlich sah ich ihn. Pedro Tercero lag
auf dem Boden, den Kopf auf einem zusammengelegten
Umhang, schlafend. Neben ihm, zwischen ein paar Steinen, ein
kleines Holzkohlenfeuer, über dem ein Wasserkessel stand.
Erschrocken blieb ich stehen. Nun konnte ich ihn ungestört
mit dem Haß der ganzen Welt betrachten, um dieses braune
Gesicht für immer meinem Gedächtnis einzuprägen, diese fast
kindlichen Züge, an denen der Bart wie eine Verkleidung
wirkte. Es war mir unbegreiflich, was meine Tochter an diesem
struppigen Allerweltskerl gefunden hatte. Er mußte
fünfundzwanzig sein, aber schlafend wirkte er wie ein Junge.
Ich mußte mich zusammennehmen, um das Zittern meiner
Hände und meiner Zähne zu überwinden. Ich hob die Flinte und
trat ein paar Schritte vor. Ich war ihm so nahe, daß ich seinen
Kopf treffen konnte, ohne zu zielen, aber ich beschloß, noch
einige Sekunden zu warten, bis mein Puls ruhiger ging. Dieses
kurze Zögern war mein Verderben. Ich nehme an, daß die
Gewohnheit, sich zu verstecken, Pedro
Tercero das Gehör
geschärft hatte und daß Instinkt ihn vor der Gefahr warnte. Im
Bruchteil einer Sekunde mußte er zu sich gekommen sein, aber
er blieb mit geschlossenen Augen liegen, spannte alle Muskeln
und Sehnen und legte seine ganze Kraft in einen gewaltigen
Sprung, der ihn mit einem einzigen Schwung einen Meter von
der Stelle, an der meine Kugel einschlug, auf die Füße stellte.
Ich kam nicht dazu, ein zweites Mal zu ziehen, weil er sich
bückte, ein Stück Holz griff und es gegen die Flinte schleuderte,
die mir in hohem Bogen aus der Hand flog. Ich erinnere mich an
die panische Angst, die ich fühlte, als ich mich entwaffnet sah,
aber dann wurde mir auf der Stelle bewußt, daß er viel
erschrockener war als ich. Wir fixierten uns schweigend,
keuchend, jeder wartete auf die erste Bewegung des anderen, um
loszuspringen. Da sah ich die Axt. Sie lag so nahe, daß ich sie,
fast ohne den Arm auszustrecken, greifen konnte, und ich griff
sie, ohne zu überlegen, und mit einem wilden Schrei aus den
tiefsten Tiefen meines Innern stürzte ich mich auf ihn, bereit,
ihn mit einem einzigen Hieb von oben bis unten zu spalten. Die
Axt funkelte in der Luft und fiel auf Pedro Tercero García
herab. Ein Strahl Blut schoß mir ins Gesicht.
Im letzten Augenblick hatte er den Arm gehoben, um den
Hieb abzuhalten, und die Schneide der Axt hatte ihm glatt drei
Finger der rechten Hand abgeschlagen. Durch den Schwung fiel
ich nach vorn und auf die Knie. Der Junge preßte die Hand an
die Brust und rannte, über Holzhaufen und auf dem Boden
liegende Baumstämme springend, nach draußen. Er erreichte
sein Pferd, saß im Sprung auf und verschwand mit einem
fürchterlichen Schrei im
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