Das Geisterhaus
beim Reiten, sein Herz galoppierte.
»Alle zwei werde ich sie umbringen«, stieß er ein übers
andere Mal hervor. In gestrecktem Galopp ritt er auf die Stelle
zu, die der Franzose ihm genannt hatte, aber er brauchte nicht
bis zum Fluß zu reiten, denn auf halbem Wege kam ihm Bianca
entgegen, trälernd, mit zerzaustem Haar, schmutzigen Kleidern
und der glücklichen Miene einer Frau, der das Leben nichts
schuldig geblieben ist. Als Esteban Trueba seine Tochter sah,
konnte er sich nicht beherrschen: vom Pferd aus fiel er mit hoch
geschwungener Peitsche über sie her und schlug, Hieb um Hieb,
erbarmungslos auf sie ein, bis sie zusammenbrach und
regungslos im Schmutz liegenblieb. Ihr Vater sprang vom Pferd,
schüttelte sie, bis sie zu sich kam, und überschüttete sie in der
Wut des Augenblicks mit allen bekannten und mit neuen,
selbsterfundenen Schimpfwörtern. »Wer ist es! Sag mir den
Namen, oder ich bringe dich um«, verlangte er.
»Das werde ich Ihnen nie sagen«, schluchzte sie.
Esteban Trueba begriff, daß dies nicht die richtige Methode
war, etwas aus seiner Tochter herauszubringen, die seine
Halsstarrigkeit geerbt hatte. Er sah ein, daß er mit seiner
Züchtigung wie immer zu weit gegangen war. Er hob sie aufs
Pferd, und sie ritten zum Haus zurück. Instinkt oder das Gebell
der Hunde hatten Clara und die Dienstboten aus dem Schlaf
gerissen, die wartend an der Tür des hell erleuchteten Hauses
standen. Der einzige, der nirgends zu sehen war, war der Graf,
der die allgemeine Aufregung dazu benutzt hatte, seine Koffer
zu packen, zwei Pferde vor einen Wagen zu spannen und in aller
Stille in das Ho tel nach San Lucas zu fahren.
»Was hast du getan, Esteban, um Gottes willen!« rief Clara,
als sie ihre Tochter sah, die über und über mit Schmutz bedeckt
war und blutete.
Clara und Pedro Segundo García trugen sie auf den Armen in
ihr Bett. Der Verwalter war totenbleich geworden, sagte aber
kein Wort. Clara wusch ihre Tochter, legte ihr kalte Kompressen
auf die blauen Flecke und wiegte sie in den Armen, bis sie sich
allmählich beruhigte. Dann ließ sie sie halb schlafend zurück
und trat ihrem Mann gegenüber, der sich in sein Arbeitszimmer
eingeschlossen hatte und wütend auf und ab lief, mit der
Peitsche gegen die Wände schlug, fluchte und die Möbel mit
Fußtritten traktierte. Als er Clara sah, richtete er auf sie seinen
ganzen rasenden Zorn, er beschuldigte sie, Bianca wie einen
gottlosen Freigeist erzogen zu haben, ohne Moral, ohne
Religion, ohne Prinzipien und, schlimmer noch, ohne jedes
Standesbewußtsein, denn man könnte noch verstehen, daß sie
das mit einem Mann ihrer Klasse getan hätte, aber nicht mit
einem Bauernbengel, einem Mistkerl, einem Hitzkopf, einem
nichtsnutzigen Faulenzer. »Ich hätte ihn gleich umbringen
sollen, als ich es ihm versprach! Mit meiner Tochter zu
schlafen! Ich schwöre, daß ich ihn finden werde, und wenn ich
ihn kriege, kastriere ich ihn, die Eier schneide ich ihm ab, und
wenn es das letzte ist, was ich in meinem Leben tue, bei meiner
Mutter schwöre ich, daß er es bereuen wird, geboren worden zu
sein!«
»Pedro Tercero García hat nichts getan, was du nicht auch
getan hast«, sagte Clara, als sie ihn unterbrechen konnte. »Auch
du hast mit ledigen Frauen geschlafen, die nicht deiner Klasse
angehören. Der Unterschied ist nur der, daß er es aus Liebe
getan hat, und Bianca auch.«
Trueba sah sie starr vor Staunen an. Für einen Augenblick
schien sein Zorn in sich zusammenzufallen, und er fühlte sich
verspottet, aber gleich darauf stieg ihm eine Welle Blut zu Kopf.
Er verlor die Beherrschung und versetzte seiner Frau einen
Fausthieb ins Gesicht, der sie gegen die Wand schleuderte. Ohne
einen Schrei brach Clara zusammen. Esteban schien aus seiner
Trance zu erwachen. Weinend und um Entschuldigung
stammelnd, kniete er neben ihr nieder, gab ihr die zärtlichsten
Namen, die er nur in der Intimität gebrauchte, und konnte nicht
fassen, daß er die Hand gegen sie hatte erheben können, das
einzige Wesen, auf das es ihm ankam, sie, die er selbst in den
schlimmsten Augenblicken ihres gemeinsamen Lebens nie
aufgehört hatte zu respektieren. Auf seinen Armen hob er sie
hoch, setzte sie liebevoll in einen Sessel, feuc htete ein
Taschentuch an, um es ihr auf die Stirn zu legen, und versuchte,
ihr ein wenig Wasser einzuflößen. Endlich schlug Clara die
Augen auf. Sie blutete aus der Nase. Als sie den Mund öffnete,
spuckte sie mehrere
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