Das Geisterhaus
Dunkel der Fic hten. Er ließ eine
Blutbahn hinter sich zurück.
Ich lag noch keuchend auf allen vieren am Boden. Ich
brauchte mehrere Minuten, um mich einigermaßen zu beruhigen
und mir klarzumachen, daß ich ihn nicht getötet hatte. Meine
erste Reaktion war Erleichterung, denn als ich das warme Blut
an meinem Gesicht spürte, fiel mein Zorn plötzlich in sich
zusammen, und ich mußte mich mühsam darauf besinnen,
warum ich ihn hatte töten wollen, um vor mir selbst die
Gewalttätigkeit zu rechtfertigen, die mich erstickte, mir fast die
Brust sprengte und mir die Augen verschleierte. Verzweifelt riß
ich den Mund auf, um Luft in die Lungen zu bekommen und
aufstehen zu können. Aber sobald ich stand, begann ich zu
zittern. Ich ging einige Schritte und ließ mich auf einen Stapel
Holz fallen, mir schwindelte und es gelang mir nicht, zu einer
geregelten Atmung zurückzufinden. Ich glaubte, ich würde
ohnmächtig werden, mein Herz schlug wie eine wild gewordene
Maschine. Viel Zeit mußte vergangen sein, ich weiß nicht,
wieviel. Am Ende blickte ich auf, erhob mich und suchte meine
Flinte. Der kleine Esteban García stand neben mir und sah mich
still an. Er hatte die abgeschnittenen Finger aufgehoben und
hielt sie wie einen Bund blutigen Spargel in der Hand. Ich
konnte nicht verhindern, daß sich mein Magen hob, mein Mund
war voller Speichel, und ich erbrach mich auf meine Stiefel,
während der Junge ungerührt lächelte.
»Laß das los, Scheißbengel!« schrie ich, nach ihm schlagend.
Die Finger fielen auf das Sägemehl, das sich rot färbte. Ich
hob die Flinte auf und ging schwankend zur Tür. Die frische
Abendluft und der berückende Fichtengeruch wehten mir ins
Gesicht und gaben mir den Sinn für die Wirklichkeit zurück. Ich
atmete gierig in tiefen Zügen. Unter größter Anstrengung ging
ich zu meinem Pferd, der ganze Körper schmerzte mich, und
meine Hände waren wie abgestorben. Der Kleine folgte mir.
Wir kehrten auf die Drei Marien zurück. In der Dunkelheit,
die nach Sonnenuntergang rasch hereinbrach, suchten wir
unseren Weg. Die Bäume machten das Reiten schwierig, die
Pferde stolperten über Steine und altes Holz, Äste schlugen auf
uns nieder. Ich war wie in einer anderen Welt, verwirrt, zutiefst
entsetzt über meine Gewalttätigkeit und dankbar, daß Pedro
Tercero entkommen war, denn ich war sicher, wäre er zu Boden
gestürzt, hätte ich mit derselben Entschlossenheit, mit der ich
bereit gewesen war, ihm eine Kugel durch den Kopf zu jagen,
weiter mit der Axt auf ihn eingeschlagen, bis ich ihn getötet,
vernichtet, in Stücke gehauen hätte.
Ich weiß, was die Leute über mich sagen. Sie behaupten unter
anderem, ich hätte in meinem Leben mehrere Menschen getötet.
Sie haben mir den Tod einiger Bauern in die Schuhe geschoben.
Das stimmt aber nicht. Ich würde es zugeben, wenn es wahr
wäre, denn in meinem Alter kann man diese Dinge ungestraft
sagen. Es dauert nicht mehr lange, bis ich unter die Erde
komme. Ich habe nie einen Menschen getötet, und wenn ich
einmal nahe daran war, es zu tun, dann an jenem Tag, als ich die
Axt nahm und auf Pedro Tercero García losging.
Nachts kamen wir zu Hause an. Ich stieg mühsam vom Pferd
und ging direkt auf die Terrasse. Ich hatte den Kleinen, der mich
begleitete, völlig vergessen, weil er auf der ganzen Strecke den
Mund nicht aufgemacht hatte. Deshalb war ich überrascht, als er
mich am Ärmel zupfte.
»Bekomme ich die Belohnung, Patron«, sagte er.
»Für Schufte, die andere verpfeifen, gibt es keine Belohnung.
Und außerdem verbiete ich dir, daß du erzählst, was geschehen
ist. Hast du mich verstanden?« knurrte ich.
Ich ging ins Haus und nahm als erstes einen Schluck aus der
Flasche. Der Cognac brannte mir in der Kehle und wärmte mich.
Dann streckte ich mich schwer atmend auf dem Sofa aus. Mein
Herz schlug noch immer unregelmäßig, und ich fühlte mich
schwindlig. Mit dem Handrücken wischte ich mir die Tränen ab,
die mir über die Wangen liefen.
Draußen stand Esteban García hinter der geschlossenen Tür.
Wie ich weinte er vor Wut.
Siebentes Kapitel
Die Brüder
Jämmerlich wie zwei Erdbebengeschädigte kamen Clara und
Bianca in der Hauptstadt an. Beide hatten verschwollene
Gesichter, rotgeweinte Augen, und von der langen Fahrt waren
ihre Kleider zerknittert. Bianca, schwächer als ihre Mutter,
obgleich sie ein ganzes Stück größer, jünger und kräftiger
gebaut war, seufzte im Wachen und schluchzte im
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