Das Geisterhaus
er sich einigermaßen beruhigt hatte, kam ihm
die rettende Idee. Er ließ sein Pferd satteln und ritt im Galopp
ins Dorf.
Jean de Satigny, den er nicht mehr gesehen hatte seit jener
unseligen Nacht, da dieser ihn geweckt und ihm Biancas
Liebschaft erzählt hatte, saß in der einzigen Konditorei des
Dorfs, trank ungezuckerten Melonensaft und war begleitet von
einem Sohn Indalecio Aguirrazábals, einem geschniegelten
Laffen, der näselnd sprach und Verse von Rubén Darío
rezitierte. Da fand ihn Trueba. Ohne jeden Respekt zog er den
Grafen an den Revers seines untadeligen schottischen Jacketts
hoch, schleppte den mehr Schwebenden als Gehenden unter den
erschrockenen Blicken der übrigen Gäste aus der Konditorei und
stellte ihn auf den Gehsteig.
»Sie haben mir genug Scherereien gemacht, junger Mann.
Erst die Geschichte mit Ihren vermaledeiten Chinchillas und
jetzt das mit meiner Tochter. Es reicht mir. Packen Sie Ihre
Koffer. Sie fahren mit mir in die Hauptstadt. Sie werden Bianca
heiraten.«
Er ließ ihm keine Zeit, sich von seiner Überraschung zu
erholen. Er begleitete ihn ins Hotel, wo er, die Peitsche in der
einen Hand und den Stock in der ändern, wartete, bis Jean de
Satigny gepackt hatte. Dann brachte er ihn direkt zum Bahnhof
und verfrachtete ihn ohne Umstände in den Zug. Unterwegs
versuchte der Graf ihm zu erklären, daß er mit dieser Sache
nichts zu tun habe, er habe Bianca nie auch nur mit einem
Finger berührt, vermutlich sei der bärtige Mönch, mit dem er
Bianca nachts am Flußufer gesehen hatte, für den Vorfall
verantwortlich. Esteban Trueba warf ihm seinen furchtbarsten
Blick zu.
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, junger Mann. Sie
müssen geträumt haben«, sagte er.
Trueba ging dazu über, ihm die Klauseln des Ehevertrags
auseinanderzusetzen, was den Franzosen einigermaßen
beruhigte. Die Mitgift, die monatlichen Zahlungen und die
Aussicht, ein Vermögen zu erben, machten Bianca zu einer
guten Partie.
»Wie Sie sehen, ist das ein besseres Geschäft als die
Chinchillas«, schloß der künftige Schwiegervater, ohne das
nervöse Schlucken des jungen Mannes zu beachten.
So kam es, daß
Esteban Trueba am Samstag mit einem
Ehemann für seine deflorierte Tochter und einem Vater für den
kleinen Bastard im großen Eckhaus eintraf. Er sprühte Funken
vor Wut. Mit einem Fausthieb warf er die Chrysanthemenvase
im Entree um, verabreichte Nicolas, der vermitteln und ihm die
Lage erklären wollte, eine Ohrfeige und verkündete brüllend,
daß er Bianca nicht zu sehen wünsche, sie habe sich bis zum
Tag ihrer Hochzeit in ihr Zimmer einzuschließen. Clara kam
nicht heraus, um ihn zu empfangen. Sie blieb in ihrem Zimmer
und öffnete ihm auch dann nicht, als er einen silbernen Stock an
ihrer Tür in Stücke schlug.
Im Haus brach ein Wirbel von Geschäftigkeit und Streitereien
los. Die Luft war so dick, daß man nicht mehr atmen konnte,
selbst die Vögel in ihren Bauern verstummten. Die Dienstboten
rannten nur so unter den Befehlen dieses heftigen, grimmigen
Patrons, der bei der Erfüllung seiner Wünsche keine
Verzögerung duldete. Clara führte das gleiche Leben wie
vorher, sie nahm ihren Mann nicht zur Kenntnis und weigerte
sich, ihn anzusprechen. Der Bräutigam, praktisch der Gefangene
seines künftigen Schwiegervaters, wurde in einem der
zahlreichen Gästezimmer untergebracht, in welchem er auf und
ab gehend seine Tage verbrachte, ohne Beschäftigung, ohne ein
einziges Mal Bianca zu sehen und ohne zu begreifen, wie er in
diesen Dreigroschenroman geschlittert war. Er wußte nicht, ob
er weinen sollte, weil er diesen barbarischen Eingeborenen zum
Opfer gefallen war, oder sich freuen, weil sein Traum, eine
junge und schöne südamerikanische Erbin zu heiraten, in
Erfüllung ging. Da er seiner Veranlagung nach Optimist war
und den Franzosen eigenen Sinn fürs Praktische besaß,
entschied er sich für das zweit e und gewann im Lauf der
Wochen seine Ruhe zurück.
Esteban Trueba setzte fest, daß die Hochzeit in vierzehn
Tagen stattfinden sollte. Seiner Ansicht nach ließ sich der
Skandal am besten dadurch vermeiden, daß man ihm mit einer
aufsehenerregenden Hochzeit den Wind aus den Segeln nahm.
Er wollte seine Tochter vom Bischof getraut sehen, im weißen
Kleid, mit einer sechs Meter langen, von Pagen und
Brautjungfern getragenen Schleppe und Hochzeitsfotos im
Gesellschaftsteil der Zeitungen, er wollte ein Fest a la Caligula
mit so viel Prunk und Protz, daß
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