Das Geisterhaus
zitternd vor Verlangen nach ihren Rundungen und
Ritzen, die er sich so oft vorgestellt hatte, ohne sie je in ihrer
herrlichen Nacktheit kennenzulernen, hatte er angenommen, daß
sie erfahren genug war, um zu vermeiden, daß er mit seinen
zweiundzwanzig Jahren Familienvater und sie mit
fünfundzwanzig eine ledige Mutter wurde. Amanda hatte andere
Liebesbeziehungen hinter sich, und sie hatte als erste von freier
Liebe gesprochen. Sie sei unwiderruflich entschlossen, hatte sie
behauptet, nur so lange bei ihm zu bleiben, als sie sich mochten,
ohne Bindung und ohne Versprechungen für die Zukunft, wie
Sartre und Simone de Beauvoir. Diese Einstellung, die Nicolas
anfangs als ein Zeichen von Gefühlskälte erschienen war, als
eine Vorurteilslosigkeit, die doch ein wenig schockierend
wirkte, hatte sich später als höchst bequem erwiesen. Entspannt
und fröhlich, wie in allen Lebenslagen, war er das
Liebesverhältnis eingegangen, ohne an die Folgen zu denken.
»Was machen wir nun?« rief er aus.
»Eine Abtreibung natürlich«, antwortete sie.
Nicolas fiel ein Stein vom Herzen. Wieder einmal war er am
Schlimmsten vorbeigekommen. Wie immer, wenn er am Rand
des Abgrunds spielte, war ein anderer, Stärkerer, neben ihm
aufgetaucht, um die Sache in die Hand zu nehmen, wie in seinen
Schulzeiten, wenn er in der Pause die Jungen reizte, bis sie über
ihn herfielen, und dann, im letzten Augenblick, wenn ihn schon
das Entsetzen lahmte, Jaime kam und sich vor ihn stellte, so daß
seine panische Angst in Euphorie umschlug und er aus seinem
sicheren Versteck hinter den Säulen im Hof Schimpfwörter
gegen die Kameraden schreien konnte, während sein Bruder aus
der Nase blutete und mit der stillen Beharrlichkeit einer
Maschine Fausthiebe austeilte. Nun übernahm
Amanda die
Verantwortung für ihn.
»Wir können, heiraten, Amanda… wenn du willst«, stammelte
er, um das Gesicht zu wahren.
»Nein«, antwortete sie, ohne zu überlegen. »Dazu liebe ich
dich nicht genug, Nicolas.«
Mit einemmal schlugen seine Gefühle um, weil dies eine
Möglichkeit war, mit der er nicht gerechnet hatte. Bis dahin war
er noch nie abgewiesen worden, hatte ihn nie jemand verlassen,
bei jeder Liebelei war er es gewesen, der seinen ganzen Takt
hatte aufbieten müssen, um sich zu lösen, ohne das jeweilige
Mädchen zu sehr zu verletzen. Er dachte an die schwierige
Lage, in der sich Amanda befand, allein, ein Kind erwartend. Er
hatte gedacht, daß ein Wort von ihm genügen würde, das
Schicksal des Mädchens zu wenden, indem er sie zu der
geachteten Frau eines Trueba machte. Das alles schoß ihm in
Bruchteilen von Sekunden durch den Kopf, aber gleich darauf
schämte er sich und errötete, sich bei solchen Gedanken ertappt
zu haben. Er rief sich alle mit Amanda verbrachten schönen
Augenblicke ins Gedächtnis, die vielen Male, wo sie sich auf
den Boden gelegt und zu zweit aus einer Pfeife geraucht hatten,
um gemeinsam ein bißchen schwindlig zu werden, wo sie über
dieses Kraut gelacht hatten, das nach trockenen Kuhfladen
schmeckte, wenig halluzinogen war, aber die Phantasie anregte;
ihre Yogaübungen und Meditationen zu zweit, wenn sie
vollkommen entspannt einander gegenübersaßen, sich in die
Augen sahen, Sanskritwörter murmelnd, die sie ins Nirwana
versetzen sollten, was aber meist die gegenteilige Wirkung
erzielte und damit endete, daß sie sich den Blicken der anderen
entzogen und sich im Garten, unter Sträuchern versteckt, wie die
Verrückten liebten; die Bücher, die sie, erstickt von
Leidenschaft und Rauch, im Schein einer Kerze gelesen hatten;
die Gesprächsrunden mit der ewigen Diskussion über die
pessimistischen Nachkriegsphilosophen oder ihre Versuche,
durch Konzentration den dreibeinigen Tisch zu bewegen, zwei
Schläge ja, drei Schläge nein, während Clara sie auslachte. Er
fiel vor dem Bett auf die Knie und flehte Amanda an, ihn nicht
allein zu lassen, ihm zu verzeihen, das hier sei nur ein unseliger
Zwischenfall, der an der unantastbaren Essenz ihrer Beziehung
nichts ändern könne. Aber sie schien ihn nicht zu hören. In einer
entrückten, mütterlichen Geste strich sie ihm über den Kopf.
»Es ist zwecklos, Nicolas. Siehst du nicht, daß ich eine Seele
habe, die uralt ist, und du noch ein Kind bist? Immer wirst du
ein Kind sein«, sagte sie.
Sie fuhren fort, sich ohne Verlangen zu streicheln und sich
mit inständigen Bitten und Erinnerungen zu quälen. Sie
schmeckten die Bitterkeit des
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