Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
sich
verstellen. Unter dem Vorwand, sie müsse nachts studieren, zog
sie aus dem Zimmer aus, das sie seit dem Tod ihrer Großmutter
mit ihrer Mutter teilte, und richtete sich in einem Zimmer im
Erdgeschoß ein, damit sie Miguel hereinlassen und ihn auf
Zehenspitzen durch das schlafende Haus in das verwunschene
Versteck führen konnte. Sie schliefen nicht nur nachts
zusammen. Manchmal war die Liebesungeduld so unerträglich,
daß Miguel es riskierte, am hellen Tag zu kommen, und wie ein
Dieb durchs Gestrüpp bis an die Kellertür kroch, wo Alba, das
Herz an einem Faden, ihn erwartete. Verzweifelt wie bei einem
Abschied fielen sie sich in die Arme und huschten, atemlos vor
Heimlichkeit, in ihr Refugium.
Zum erstenmal in ihrem Leben fühlte Alba das Bedürfnis,
schön zu sein, und bedauerte, daß ihr keine der herrlichen
Frauen ihrer Familie ihre Attribute vermacht hatte, und die
einzige, die es getan hatte, die schöne Rosa, ihr nichts als den
Seealgenton des Haars gegeben hatte, was in Ermangelung alles
übrigen eher wie ein Fehlgriff des Friseurs aussah. Als Miguel
ihren Kummer erriet, führte er sie an der Hand vor den großen
venezianischen Spiegel, der in einer Ecke ihres Geheimgemachs
stand, wischte den Staub von dem gesprungenen Glas, zündete
alle verfügbaren Kerzen an und stellte sie um ihn herum. Sie
betrachtete sich in den tausend Stücken des zerbrochenen
Spiegels. Im Schein der Kerzen hatte ihre Haut die unwirkliche
Farbe von Wachsfiguren. Miguel begann sie zu streicheln, und
sie sah, wie sich ihr Gesicht im Kaleidoskop des Spiegels
veränderte, und akzeptierte es endlich, daß sie die schönste Frau
der Welt war, weil sie sich mit den Augen sehen konnte, mit
denen Miguel sie ansah.
Diese Orgie ohne Ende dauerte über ein Jahr. Dann schloß
Miguel seine Doktorarbeit ab, bekam seinen Titel und begann
sich nach einer Arbeit umzusehen. Als ihnen das drängende
Bedürfnis ungestillter Liebe verging, gewannen sie wieder
Haltung und konnten ihr Leben normalisieren. Alba riß sich
zusammen, um sich wieder für ihre Studien zu interessieren, und
Miguel warf sich erneut auf seine politische Aufgabe, zumal
sich die Ereignisse überstürzten und die ideologischen Kämpfe
das Land zerrissen. Miguel mietete eine kleine Wohnung neben
seinem Arbeitsplatz. Dort trafen sie sich, um sich zu lieben,
denn während des einen Jahres, in welchem sie nackt im Keller
herumgesprungen waren, hatten sich beide eine chronische
Bronchitis geholt, was dem unterirdischen Paradies manches
von seinem Zauber nahm. Alba half die neue Wohnung
einrichten, verstreute überall Kissen und politische Plakate und
schlug Miguel vor, bei ihm zu wohnen, aber in diesem Punkt
war er unerbittlich. »Wir gehen schlimmen Zeiten entgegen,
Liebling«, erklärte er. »Ich kann dich nicht bei mir haben, ich
werde in die Guerilla gehen, wenn es sein muß.«
»Ich gehe mit dir«, versprach sie.
»In die Guerilla geht man nicht aus Liebe, sondern aus
politischer Überzeugung, und die hast du nicht«, erwiderte
Miguel. »Den Luxus, Aficionados aufzunehmen, können wir
uns nicht leisten.« Alba fand das brutal, und mehrere Jahre
mußten vergehen, ehe sie es in seinem ganzen Ausmaß begriff.
Senator Trueba stand in einem Alter, in dem er sich hätte
zurückziehen können, aber dieser Gedanke lag ihm fern. Er las
die Tageszeitungen und grummelte zwischen den Zähnen. Die
Dinge hatten sich in diesen Jahren sehr verändert, und er fühlte,
daß ihm die Ereignisse über den Kopf wuchsen, weil er nicht
damit gerechnet hatte, so lange zu leben, daß er es noch mit
ihnen würde aufnehmen müssen. Er war geboren worden, als es
in der Stadt noch kein elektrisches Licht gab, und hatte am
Fernsehen miterlebt, daß ein Mann auf dem Mond
herumspazierte, aber keines der Ereignisse in seinem Leben
hatte ihn darauf vorbereitet, einer Revolution wie dieser, die
unter seiner Nase in seinem Land entstand und jedermann in
Atem hielt, die Stirn zu bieten.
Der einzige, der nicht darüber sprach, war Jaime. Um dem
ewigen Streit mit seinem Vater aus dem Weg zu gehen, hatte er
sich Schweigen zur Gewohnheit gemacht und bald entdeckt, daß
den Mund zu halten bequemer war, als zu reden. Nur wenn ihn,
selten genug, Alba in seinem Büchertunnel besuchte, ging er aus
seiner trapistischen Einsilbigkeit heraus. Seine Nichte kam im
Nachthemd, das Haar naß von der Dusche, und setzte sich auf
das Fußende seines Bettes, um ihm glückliche

Weitere Kostenlose Bücher