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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Rechenschaft
schuldig war. Es kostete ihn von Mal zu Mal größere Mühe, den
Schmerz und die Unruhe wiederzufinden, um ein neues Lied zu
komponieren, denn mit den Jahren hatte er zu einem großen
inneren Frieden gefunden, und die Aufsässigkeit, die ihn in
seiner Jugend umgetrieben hatte, war der Milde eines mit sich
selbst zufriedenen Mannes gewichen. Er lebte ärmlich wie ein
Franziskaner. Nach Geld oder nach Macht hatte er kein
Verlangen. Der einzige Fleck in seiner Ruhe war Bianca. Die
flüchtige Liebe halbwüchsiger Mädchen interessierte ihn nicht
mehr, er war zu der Überzeugung gekommen, daß Bianca die
einzige Frau für ihn war. Er zählte die Jahre, die er sie im
Verborgenen geliebt hatte, und konnte sich an keinen
Augenblick seines Lebens erinnern, in dem sie nicht anwesend
gewesen wäre. Nach der Präsidentschaftswahl sah er das
Gleichgewicht seiner Existenz durch die dringende
Aufforderung zur Mitarbeit in der Regierung gestört: die
Linksparteien, wurde ihm erklärt, hätten nicht genügend fähige
Leute für alle Ämter, die übernommen werden müßten.
    »Ich bin ein Bauer, ich habe keinerlei Vorbildung«, versuchte
er sich zu entschuldigen. »Das macht nichts, Genosse.
Wenigstens sind Sie populär. Wenn Sie ins Fettnäpfchen treten,
werden es Ihnen die Leute verzeihen«, antworteten sie.
    So kam es, daß er plötzlich zum erstenmal in seinem Leben
hinter einem Schreibtisch saß, mit einer eigenen Sekretärin und
im Rücken ein grandioses Gemälde von den Helden des
Vaterlandes in einer ehrenvollen Schlacht. Pedro Tercero blickte
aus dem mit Eisenstäben gesicherten Fenster seines luxuriösen
Büros und konnte nur ein winziges Viereck grauen Himmels
sehen. Es war kein Schlummerposten. Er arbeitete von sieben
Uhr früh bis in die Nacht und war danach so müde, daß er sich
unfähig fühlte, auch nur einen Akkord auf seiner Gitarre
anzuschlagen, und erst recht, Bianca mit der gewohnten
Leidenschaft zu lieben. Wenn sie sich nach Überwindung aller
gewohnten Hindernisse auf Seiten Biancas und der zusätzlichen
Hindernisse, die seine Arbeit mit sich brachte, einmal trafen,
lagen sie mit mehr Sorgen als Liebeslust in den Laken.
Unterbrochen vom Telefon, gehetzt von der Zeit, die ihnen nie
ausreichte, liebten sie sich angestrengt. Bianca hörte auf, ihre
Reizwäsche zu tragen, weil sie ihr als eine nutzlose
Herausforderung erschien, die sie beide lächerlich machte.
Zuletzt trafen sie sich nur noch, um wie ein Paar alter Leute
einer im Arm des andern auszuruhen, freundschaftlich ihre
täglichen Sorgen besprechend und die gewichtigeren Probleme,
die die Nation erschütterten. Eines Tages stellte Pedro Tercero
García fest, daß sie seit fast drei Monaten nicht mehr
miteinander geschlafen hatten und, was er noch schlimmer fand,
keiner von beiden den Wunsch danach verspürte. Er erschrak. Er
rechnete nach, daß in seinem Alter noch kein Grund zur
Impotenz bestand, und schob die Schuld auf das Leben, das er
notgedrungen führte, und auf die Junggesellenallüren, die er
dabei entwickelt hatte. Das würde sich ändern, nahm er an,
wenn er mit Bianca ein norma les Leben führen könnte und sie
ihn Tag für Tag im Frieden eines gemeinsamen Heims erwarten
würde. Er drängte sie, ihn endlich zu heiraten, er habe diese
heimlichen Stelldicheins satt, er sei aus dem Alter dafür heraus.
Bianca gab ihm dieselbe Antwort, die sie ihm schon so oft
gegeben hatte.
»Ich muß es mir überlegen, Lieber.«
    Sie saß nackt auf dem schmalen Bett Pedro Terceros. Er
betrachtete sie ohne Mitleid und sah, daß die Zeit sie zu
verwüsten begann. Sie war dicker geworden, trauriger, ihre
Hände waren vom Rheuma verkrümmt, und diese herrlichen
Brüste, die ihm früher den Schlaf geraubt hatten, gingen
allmählich in den breiten Schoß der reifen Matrone über.
Gleichwohl fand er sie noch so schön wie in ihrer Jugend, als sie
sich auf den Drei Marien im Schilf am Flußufer geliebt hatten,
und gerade deshalb bedauerte er, daß seine Müdigkeit stärker
war als seine Leidenschaft. »Du hast es dir fast ein halbes
Jahrhundert lang überlegt. Das ist genug. Entweder jetzt oder
nie«, schloß er.
    Bianca ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Es war nicht das
erstemal, daß Pedro Tercero sie vor diese Entscheidung stellte.
Jedesmal, wenn er mit einer seiner jungen Freundinnen brach
und zu ihr zurückkehrte, verlangte er in dem verzweifelten
Versuch, ihre Liebe zu erhalten und Verzeihung zu

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