Das Geisterhaus
und darüber hinaus manches zu kaufen,
was es sich immer gewünscht hatte, stand mit einemmal vor
beinahe leeren Geschäften. Die Unterversorgung hatte
begonnen, die im Lauf der Zeit zum kollektiven Alptraum
wurde. Die Frauen standen im Morgengrauen auf und bildeten
endlose Schlangen, um ein mageres Huhn, ein halbes Dutzend
Windeln oder Klopapier zu ergattern. Schuhwichse, Nähnadeln
und Kaffee wurden zu Luxusartikeln, die man, in Seidenpapier
eingewickelt, zu Geburtstagen verschenkte. Die Verknappung
der Waren rief Angst hervor, schubweise kursierten
widersprüchliche Gerüchte über die demnächst im Land
ausgehenden Artikel, und die Leute kauften maßlos, was immer
sie fanden, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Sie stellten sich
an, ohne zu wissen, was in einem Geschäft verkauft wurde, nur
um sich die Gelegenheit nicht entgehen zu lassen, etwas zu
kaufen, auch wenn sie es nicht brauchten. Schlangenprofis
tauchten auf, die gegen eine angemessene Summe anderen den
Platz freihielten, ambulante Verkäufer, die den Andrang nutzten,
um Süßigkeiten abzusetzen, und Leute, die an die zur Nachtzeit
Schlangestehenden Decken vermieteten. Der schwarze Markt
blühte. Die Polizei versuchte ihn zu unterbinden, aber es war
wie eine Seuche, die sich überall ausbreitete. Sie mochten noch
so gründlich alle Wagen durchsuchen und jeden festnehmen, der
ein verdächtiges Paket trug, sie konnten sie nicht aufhalten.
Selbst die Kinder handelten auf den Schulhöfen. Der Drang zu
hamstern führte zu absurden Verwechslungen: Leute, die nie
geraucht hatten, zahlten am Ende jeden Preis für eine Schachtel
Zigaretten, und kinderlose Frauen schlugen sich um einen Topf
Essen für stillende Mütter. Ersatzteile für Küchenherde,
Industriemaschinen und Autos verschwanden vom Markt. Das
Benzin wurde rationiert, und es kam vor, daß Autoschlangen
wie eine gigantische, regungslos in der Sonne röstende
Riesenboa zwei Tage und eine Nacht lang den Verkehr
blockierten. Die Zeit reichte nicht mehr für alle diese Schlangen,
und so mußten die Angestellten zu Fuß gehen oder mit dem Rad
ins Büro fahren. Die Straßen füllten sich mit keuchenden
Radlern, es war wie ein holländisches Delirium. So standen die
Dinge, als die Lastwagenfahrer in den Ausstand traten. In der
zweiten Woche war klar, daß es sich dabei nicht um einen
Lohnstreik, sondern um einen politischen Streik handelte und
daß sie nicht daran dachten, die Arbeit wiederaufzunehmen. Die
Streitkräfte versuchten das Problem zu lösen, weil das Gemüse
auf dem Land verfaulte und die Hausfrauen auf den Märkten
nichts zu kaufen fanden, aber da stellte sich heraus, daß die
Lastwagenfahrer die Motoren aus ihren Fahrzeugen ausmontiert
hatten und es unmöglich war, die Tausende von Lastwagen, die
wie versteinerte Wracks die Straßen blockierten, von der Stelle
zu bewegen. Der Präsident trat im Fernsehen auf und bat um
Geduld. Er wies das Land darauf hin, daß die Lastwagenfahrer
mit imperialistischem Geld bezahlt würden und also auf
unbestimmte Zeit im Streik bleiben konnten, daß es demnach
besser sei, Gemüse im eigenen Garten und auf Baikonen
anzubauen, wenigstens so lange, bis sich eine andere Lösung
gefunden hätte. Das Volk, das an Armut gewöhnt war und Huhn
allenfalls am Nationalfeiertag und an Weihnachten aß, verlor
nicht die Euphorie des ersten Tages, im Gegenteil, es
organisierte sich wie zu einem großen Krieg, entschlossen zu
verhindern, daß die Wirtschaftssabotage ihr den Sieg versalzte.
Es fuhr fort, fröhliche Feste zu feiern und zu singen, daß ein
geeintes Volk nie besiegt werden würde, aber es klang von Mal
zu Mal falscher, weil Uneinigkeit und Haß um sich griffen.
Das Leben des Senators Trueba änderte sich wie das aller
anderen. Die Begeisterung für den Kampf, den er aufgenommen
hatte, gab ihm die Kräfte von ehedem zurück und linderte den
Schmerz in seinen armen Knochen. Er arbeitete wie in seinen
besten Jahren. Er begab sich auf mehrere konspirative Reisen
ins Ausland und fuhr unermüdlich von Norden nach Süden
durch die chilenischen Provinzen, im Flugzeug, im Auto und in
Zügen, in denen das Privileg der ersten Klasse abgeschafft
worden war. Er stand die üppigen Gastmähler durch, die seine
Parteifreunde in jeder Stadt, in jedem Dorf, in jedem Weiler für
ihn veranstalteten, wo er jedesmal den Appetit eines
Strafgefangenen vortäuschte, obwohl seine Altmännerdärme
solche Mengen nicht mehr verkraften
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