Das Geisterhaus
erlangen, sie
solle ihn heiraten. Als er ihretwegen die Arbeitersiedlung
verließ, in der er mehrere Jahre glücklich gewesen war, um in
eine Mittelklassewohnung umzuziehen, hatte er ihr dasselbe
gesagt.
»Entweder du heiratest mich, oder wir sehen uns nie wieder.«
Bianca begriff nicht, daß Pedro Terceros Entschluß diesmal
unwiderruflich war.
Sie trennten sich beleidigt. Bianca raffte ihre auf dem Boden
verstreuten Kleider auf, um sich eilig anzuziehen, und steckte
sich mit den Nadeln, die sie im zerwühlten Bett suchen mußte,
das Haar im Nacken fest. Pedro
Tercero zündete sich eine
Zigarette an und sah nicht weg, während sie sich ankleidete.
Bianca schlüpfte in ihre Schuhe, nahm ihre Handtasche und
winkte ihm von der Tür aus zu. Sie war sicher, daß er sie am
nächsten Tag anrufen und sie zu einem ihrer spektakulären
Versöhnungsfeste einladen würde. Pedro Tercero kehrte sich der
Wand zu, einen bitteren Zug um seine zusammengepreßten
Lippen. Zwei Jahre lang sollten sie sich nicht wiedersehen.
In den folgenden Tagen hoffte Bianca, er würde sich nach
dem alten Schema, das sich seit je wiederholte, mit ihr in
Verbindung setzen. Er hatte sie nie im Stich gelassen, nicht
einmal, als sie nach ihrer Heirat ein Jahr lang getrennt gewesen
waren. Auch damals war er es gewesen, der sie suchte. Doch als
sie am dritten Tag keine Nachricht hatte, wurde sie unruhig. Sie
wälzte sich schlaflos in ihrem Bett, sie verdoppelte ihre Dosis
Beruhigungstabletten, flüchtete sich abermals in ihre Migränen
und Neuralgien und betäubte sich mit der Arbeit in ihrer
Werkstatt, wo sie ihre Krippenfiguren zu Hunderten in den Ofen
schob und wieder herausnahm, nur um beschäftigt zu sein und
nicht nachzudenken, konnte aber ihre Ungeduld nicht
überwinden. Zuletzt rief sie im Ministerium an. Eine weibliche
Stimme antwortete ihr, der Genösse Garcia sei in einer Sitzung
und dürfe nicht gestört werden. Am nächsten Tag rief Bianca
wieder an, und so die ganze Woche, bis sie überzeugt war, daß
sie ihn auf diese Weise nicht zu sprechen bekam. Sie gab sich
einen Ruck, um den maßlosen Stolz zu überwinden, den sie von
ihrem Vater geerbt hatte, zog sich ihr bestes Kleid und einen
aufreizenden Strumpfgürtel an und ging ihn in seiner Wohnung
besuchen. Ihr Schlüssel paßte nicht ins Schloß, sie mußte läuten.
Ein schnurrbärtiges Mannsbild mit den Augen eines
Schulmädchens öffnete ihr.
»Der Genösse Garcia ist nicht da«, sagte er und forderte sie
nicht auf, hereinzukommen.
Da begriff sie, daß sie ihn verloren hatte. Ihr künftiges Leben
trat ihr flüchtig vor Augen, sie sah sich in einer Wüste ohne
Ende, sich abarbeitend in sinnlosen Beschäftigungen, um die
Zeit totzuschlagen, fern von dem einzigen Mann, den sie ihr
ganzes Leben geliebt hatte, und von den Armen, in denen sie
geschlafen hatte seit den unvordenkliche n Tagen ihrer Kindheit.
Sie setzte sich auf die Treppe und brach in Weinen aus. Der
Schnurrbärtige schloß geräuschlos die Tür.
Sie sagte niemandem, was geschehen war. Alba fragte sie
nach Pedro Tercero, und sie antwortete ausweichend, er hätte
ein neues Amt in der Regierung übernommen und sei sehr
beschäftigt. Sie gab weiter ihre Kurse für mongoloide Kinder
und müßige
Señoritas und begann auch in den
Stadtrandsiedlungen Töpferkurse abzuhalten, wo sich die Frauen
zusammengeschlossen hatten, um neue Berufe zu erlernen, und
beteiligte sich so zum erstenmal an politischen und sozialen
Aufgaben ihres Landes. Organisation tat not, denn der »Weg
zum Sozialismus« verwandelte sich bald in ein Schlachtfeld.
Während das Volk den Sieg feierte, sich die Haare wachsen und
den Bart stehen ließ, einer den anderen mit Genosse anredete,
die vergessene Folklore und das traditionelle Kunsthandwerk
wieder ausgrub und seine neue Macht in ebenso endlosen wie
nutzlosen Arbeiterversammlungen ausübte, bei denen alle
gleichzeitig redeten und keine Einigkeit erzielt wurde, führte die
Rechte eine Reihe strategischer Aktionen durch, die darauf
zielten, die Wirtschaft zu unterminieren und das Ansehen der
Regierung zu schädigen. Sie hatten die mächtigsten
Kommunikationsmittel in der Hand, sie konnten mit den fast
unbegrenzten finanziellen Mitteln und der Unterstützung der
Gringos rechnen, die für den Sabotageplan ihren Geheimfonds
anzapften. Binnen weniger Monate zeigten sich die Ergebnisse.
Das Volk, das zum erstenmal genügend Geld hatte, um seinen
Grundbedarf zu decken
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