Das Geisterhaus
nicht mehr«, dachte er nach den
aufreibenden Rendezvous, bei denen Amanda, um ihn zu
betören, die ausgefallensten Liebeskünste aufbot, die beide zu
Tode erschöpften.
Durch seine Beziehung zu Amanda und auf Drängen Albas
kam er häufig mit Miguel in Berührung. Bei vielen
Gelegenheiten war eine Begegnung unvermeidlich. Er tat, was
er konnte, um indifferent zu erscheinen, aber zuletzt fesselte ihn
Miguel. Er war reifer geworden, hatte aufgehört, ein
überspannter junger Mann zu sein, aber von seiner politischen
Linie war er nicht um Haaresbreite abgewichen: er dachte noch
immer, daß die Rechte ohne eine gewaltsame Revolution nicht
zu besiegen sei. Jaime teilte seine Meinung nic ht, schätzte ihn
aber und bewunderte seinen Mut. Dennoch hielt er ihn für einen
jener fatalen, von einem gefährlichen Idealismus und einem
unerbittlichen Reinheitsanspruch besessenen Menschen, die
Unglück bringen über alles, was sie berühren, und besonders
über die Frauen, die das Pech haben, sie zu lieben. Auch seine
ideologischen Positionen mißfielen ihm, weil er überzeugt war,
daß linke Extremisten dem Präsidenten mehr schadeten als
rechte. Das hinderte jedoch nicht, daß er ihm Sympathie
entgegenbrachte und sich beugte vor der Stärke seiner
Überzeugungen, seiner natürlichen Fröhlichkeit, seinem Hang
zur Zärtlichkeit und der Generosität, mit der er bereit war, sein
Leben für Ideale zu lassen, die Jaime zwar teilte, aber nicht stark
genug war, bis in die le tzten Konsequenzen zu verteidigen.
In dieser Nacht schlief Jaime bedrückt und unruhig, er fühlte
sich ungemütlich in seinem Schlafsack und horchte auf den sehr
nahen Atem seiner Nichte. Als er erwachte, war sie
aufgestanden und machte den Frühstückskaffee warm. Ein
kühler Wind wehte und die Gipfel lagen im goldenen
Widerschein der Sonne. Alba schlang ihrem Onkel die Arme um
den Hals und küßte ihn, er aber behielt die Hände in den
Taschen und erwiderte die Liebkosung nicht. Er war verwirrt.
Die Drei Marien waren eines der letzten Güter im Süden, die
im Zuge der Landwirtschaftsreform enteignet wurden. Die
Bauern, die seit Generationen auf diesem Land geboren worden
waren und gearbeitet hatten, bildeten eine Kooperative und
übernahmen den Besitz, weil sie seit drei Jahren und fünf
Monaten ihren Patron nicht mehr gesehen und den Wirbelsturm
seiner Wutanfälle vergessen hatten. Der Verwalter,
eingeschüchtert von der Richtung, die die Ereignisse nahmen,
und dem hitzigen Ton der Hintersassen bei den Versammlungen
im Schulhaus, packte seine Siebensachen und verzog sich, ohne
sich von irgend jemandem zu verabschieden und ohne Senator
Trueba Bescheid zu geben, weil er sich nicht dessen Wut
aussetzen wollte und dachte, mit seinen wiederholten
Warnungen seine Schuldigkeit getan zu haben. Nach seinem
Verschwinden trieben die Drei Marien eine Zeitlang so dahin.
Niemand war da, der Befehle erteilte, und niemand wäre bereit
gewesen, sie zu befolgen, denn die Bauern kamen zum
erstenmal in ihrem Leben auf den Geschmack der Freiheit und
entdeckten die Vorteile, ihr eigener Herr zu sein. Sie teilten die
Felder gerecht untereinander auf, und jeder baute an, was ihm
gefiel, bis die Regierung einen Agrartechniker schickte, der
ihnen Saatgut auf Kredit gab und sie über den Markt und die
Nachfrage, die Transportschwierigkeiten und die Vorzüge von
Dünge- und Desinfektionsmitteln aufklärte. Die Bauern scherten
sich wenig um den Techniker, weil er ein Stadtmensch war und
offensichtlich noch nie einen Pflug in der Hand gehabt hatte,
nichtsdestoweniger feierten sie seinen Besuch, öffneten zu
diesem Zweck die geheiligten Weinkeller des ehemaligen
Patrons, um über seine alten Weine herzufallen, und
schlachteten die Zuchtstiere, damit sie Hoden mit Zwiebeln und
Culantro essen konnten. Nachdem der Techniker abgefahren
war, aßen sie auch die importierten Kühe und die Legehennen.
Esteban Trueba erfuhr, daß er sein Gut verloren hatte, als er die
Mitteilung erhielt, es werde ihm durch Staatsbons, fällig in
dreißig Jahren, vergütet, unter Zugrundelegung des Wertes, den
er selbst in seiner Steuererklärung angegeben habe. Er verlor die
Selbstkontrolle. Er holte aus seinem Arsenal ein
Maschinengewehr, mit dem er nicht umgehen konnte, und
befahl seinem Chauffeur, ihn unverzüglich und ohne anzuhalten
auf die Drei Marien zu fahren. Er sagte niemandem Bescheid,
nicht einmal seinen Leibwächtern. Mehrere Stunden fuhr er,
blind vor Wut,
Weitere Kostenlose Bücher