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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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ohne einen konkreten Plan im Kopf zu haben.
    Als sie ankamen, mußte der Chauffeur scharf bremsen, weil
ein dicker Balken vor der Einfahrt ihnen den Weg versperrte.
Einer der Hintersassen, bewaffnet mit einem Spieß und einer
Jagdflinte ohne Kugeln, hielt Wache. Trueba stieg aus. Als der
Mann des Patrons ansichtig wurde, hängt er sich wie wild an das
Seil der Schulglocke, das in seiner Nähe installiert worden war,
damit er Alarm schlagen konnte, dann warf er sich bäuchlings
zu Boden. Die Gewehrsalve ging über seinen Kopf hinweg und
schlug in die nahen Bäume ein. Trueba hielt sich nicht damit
auf, nachzusehen, ob er ihn getötet hatte. Mit einer für sein Alter
erstaunlichen Forschheit beschritt er den Weg zum Gut, ohne
nach rechts oder nach links zu blicken, so daß ihn der Schlag auf
den Nacken überraschend traf und ihn in den Staub streckte, ehe
er sich klarwerden konnte, was geschah. Im Eßzimmer des
Herrenhauses kam er zu sich, auf dem Tisch ausgestreckt, die
Hände gefesselt und ein Kissen unter dem Kopf. Eine Frau legte
ihm kalte Kompressen auf die Stirn, und um ihn herum standen
fast alle Hintersassen und beobachteten ihn neugierig. »Wie
fühlen Sie sich, Genosse«, fragten sie ihn.
    »Hurensöhne! Ich bin niemandes Genosse!« brüllte der Alte
und versuchte sich aufzurichten.
Er zappelte und schrie so sehr, daß sie seine Fesseln lösten
und ihm aufstehen halfen, aber als er das Haus verlassen wollte,
sah er, daß die Fenster von außen verrammelt und die Türen
abgeschlossen waren. Die Männer versuchten ihm zu erklären,
daß sich die Dinge geändert hätten und er nicht mehr der Herr
sei, aber er wollte nicht auf sie hören. Er hatte Schaum vor dem
Mund, und sein Herz schlug zum Zerspringen. Wie ein
Wahnsinniger kanzelte er die Hintersassen ab, ihnen drohend
mit solchen Strafen und Racheakten, daß sie zuletzt in Gelächter
ausbrachen. Am Ende hatten sie es satt und ließen ihn im
Eßzimmer allein. Esteban Trueba fiel auf einen Stuhl, erschöpft
von der ungeheuren Anstrengung. Stunden später erfuhr er, daß
ihn die Hintersassen als Geisel festhielten und ihn vom
Fernsehen filmen lassen wollten. Unterdessen waren, von
seinem Chauffeur benachrichtigt, seine zwei Leibwächter und
ein paar fanatische junge Leute seiner Partei auf die Drei Marien
gefahren, bewaffnet mit Prügeln, Boxhandschuhen und Ketten,
um ihn herauszuholen, aber an der Einfahrt standen sie einer
verdoppelten Wachmannschaft gegenüber und sahen das
Maschinengewehr, zu dem Senator Trueba den Bauern
verhelfen hatte, auf sich gerichtet.
»Den Genossen Geisel holt keiner heraus«, sagten die Bauern
und verjagten sie mit Schüssen, um ihren Worten Nachdruck zu
verleihen.
Ein Wagen des Fernsehens kam, um den Vorfall zu filmen,
und die Hintersassen, die so etwas nie gesehen hatten, ließen ihn
ein und posierten mit ihrem breitesten Lächeln rings um den
Gefangenen. In dieser Nacht konnte das ganze Land den
höchsten Vertreter der Opposition auf dem Bildschirm sehen,
gefesselt, wutschnaubend und solche Schimpfkanonaden
brüllend, daß die Zensur eingreifen mußte. Auch der Präsident
sah ihn und hatte wenig Spaß daran, weil er begriff, daß dieser
Vorfall der Funke sein konnte, der das Pulverfaß, auf dem seine
Regierung saß, in die Luft sprengen würde. Er entsandte
Militärpolizei, die den Senator befreien sollte. Als sie auf dem
Gut ankamen, ließen die Bauern, ermutigt durch die
Unterstützung seitens der Medien, sie nicht ein. Sie wollten
einen Gerichtsbefehl sehen. Der Provinzrichter, der fürchtete, er
könnte sich damit Scherereien zuziehen und seinerseits, gerügt
von der Berichterstattung der Linken, im Fernsehen erscheinen,
verduftete eiligst. Den Polizisten blieb nichts anderes übrig, als
vor der Einfahrt zu den Drei Marien zu warten, bis der Befehl
aus der Hauptstadt eintraf.
Bianca und Alba erfuhren von der Sache, wie jedermann
sonst, durch die Nachrichten. Bianca wartete bis zum nächsten
Tag, ohne ein Wort zu sagen, als sie aber sah, daß auch die
Militärpolizei den Großvater nicht hatte befreien können, hielt
sie den Augenblick für gekommen, Pedro Tercero García
wiederzusehen. »Zieh diese vergammelten Hosen aus und zieh
dir ein anständiges Kleid an«, befahl sie Alba.
Beide erschienen unangemeldet im Ministerium. Ein Sekretär
versuchte sie im Vorzimmer aufzuhalten, aber Bianca schob ihn
energisch zur Seite und ging festen Schrittes, ihre Tochter im
Schlepptau,

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