Das Geisterhaus
Das
Handwerk fiel auf das Niveau der Sklavenarbeit zurück, und
zum erstenmal seit vielen Jahren konnten die Arbeitgeber ohne
Abfindung so viele Arbeiter entlassen, wie sie wollten, und sie
beim geringsten Protest festnehmen lassen.
In den ersten Monaten nahm Senator Trueba am
Opportunismus der Leute seiner Gesellschaftsklasse teil. Er war
überzeugt, daß eine Periode der Diktatur notwendig sei, damit
das Land in den Pferch zurückkehre, den es niemals hätte
verlassen dürfen. Er war einer der ersten Grundbesitzer, denen
ihre Güter zurückgegeben wurden. Er bekam die Drei Marien
wieder, verwüstet, aber bis auf den letzten Quadratmeter
vollständig. Seit fast zwei Jahren hatte er, an seiner Wut kauend,
auf diesen Augenblick gewartet. Ohne es sich zweimal zu
überlegen, fuhr er mit einem halben Dutzend gemieteter
Totschläger aufs Land und rächte sich gründlich an den Bauern,
die es gewagt hatten, ihm zu trotzen und ihm wegzunehmen,
was ihm gehörte. An einem strahlenden Sonntagmorgen kurz
vor Weihnachten kamen sie an. Sie betraten das Gut mit
Piratengeschrei. Die Totschläger schwärmten aus, fingen unter
Schreien, Schlägen und Fußtritten die Leute ein und trieben
Menschen und Vieh auf dem Hof zusammen. Dann schütteten
sie Benzin auf die Ziegelhäuser, die früher Truebas Stolz
gewesen waren, und steckten sie samt allem, was darin war, in
Brand. Sie verbrannten die Pflüge, die Hühnerställe, die
Fahrräder und selbst die Wiegen der Neugeborenen in einem
mittäglichen Hexensabbat, der den alten Trueba vor Freude
schier umbrachte. Er entließ alle Hintersassen und drohte ihnen,
daß es ihnen ebenso ergehen würde wie ihrem Vieh, wenn sie
sich noch einmal auf dem Gut blicken ließen. Er sah sie
abziehen, ärmer denn je, in einer langen, traurigen Prozession
mit ihren Kindern und ihren Alten, den wenigen Hunden, die die
Schießerei überlebt hatten, und einigen aus der Hölle geretteten
Hühnern, die Füße nachziehend auf dem Weg, der sie wegführte
von dem Land, auf dem sie seit Generationen gelebt hatten. Am
Tor der Drei Marien stand bereits, sehnsücht ig wartend, eine
Gruppe abgerissener Menschen. Es waren andere, von anderen
Gütern vertriebene arbeitslose Bauern, die, ebenso unterwürfig
wie vor einem Jahrhundert ihre Vorfahren, den Patron bitten
kamen, sie bei der nächsten Ernte einzustellen.
In dieser Nacht legte sich
Esteban Trueba im alten
Herrenhaus, das er so lange nicht mehr betreten hatte, in das alte
Eisenbett, das seinen Eltern gehört hatte. Er war müde, er hatte
noch den Brandgeruch und den Gestank der Tierleichen in der
Nase, denn auch die toten Tiere hatten verbrannt werden
müssen, damit die Fäulnis nicht die Luft verpestete. Die
Überreste der Ziegelhäuschen schwelten noch, und alles um ihn
war Tod und Verwüstung. Doch er wußte, daß er das Land
wieder hochbringen würde, wie er es schon einmal getan hatte,
denn die Felder waren intakt und seine Kräfte auch. Bei aller
Freude an seiner Rache konnte er doch nicht schlafen. Er fühlte
sich wie ein Vater, der seine Kinder zu streng bestraft hat. Die
ganze Nacht sah er die Gesichter der Bauern, die er auf seinem
Gut hatte zur Welt kommen sehen, sich auf der Straße entfernen.
Er verfluchte seinen Jähzorn. Auch die übrige Woche konnte er
nicht schlafen, und als er es konnte, träumte er von Rosa. Er
beschloß, niemandem zu erzählen, was er getan hatte, und
schwor sich, daß die Drei Marien wieder das Mustergut sein
würden, das sie zuvor gewesen waren. Er streute die Nachricht
aus, daß er bereit sei, natürlich unter bestimmten
Voraussetzungen, zurückkehrende Hintersassen wieder
aufzunehmen, aber keiner kam. Sie hatten sich über die Felder,
die Berge, die Küste zerstreut, einige waren zu Fuß bis zu den
Minen gegangen, andere auf die Inseln im Süden, jeder auf der
Suche nach Brot für seine Familie, bei jeder Art von Arbeit.
Angewidert kehrte der Patron in die Hauptstadt zurück. Er fühlte
sich älter denn je. Die Seele schmerzte ihn.
In seinem Haus am Meer lag der Dichter im Sterben. Er war
krank, und die Ereignisse der letzten Zeit hatten sein Verlangen
weiterzuleben erschöpft. Soldaten durchsuchten sein Haus,
durchwühlten seine Schnecken-, seine Muschel-, seine
Schmetterlings-, seine Flaschensammlungen und seine aus so
vielen Meeren geretteten Galionsfiguren, seine Bücher, seine
Bilder, seine unvollendeten Verse, auf der Suche nach
subversiven Waffen und versteckten
Weitere Kostenlose Bücher