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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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abgab. Sie sahen eine neue, hochmütige
Gesellschaftsklasse entstehen. Hochmögende
Señoras
in
Kleidern von anderen Gestaden, exotisch und glitzernd wie
Glühwürmchen, brüsteten sich am Arm der neuen, stolzen
Finanzstrategen in den Vergnügungszentren. Eine Militärkaste
bildete sich heraus, die rasch die Schlüsselpositionen besetzte.
Die Familien, die es früher als ein Unglück betrachtet hatten,
einen Militär unter ihren Angehörigen zu haben, machten sich
gegenseitig ihre Beziehungen streitig, um ihre Söhne in den
Militärakademien unterzubringen, und boten ihre Töchter den
Soldaten an. Das Land füllte sich mit Uniformen,
Kriegsmaschinen, Fahnen, Hymnen und Paraden, denn die
Militärs kannten das Bedürfnis des Volkes nach eigenen
Symbolen und Rhythmen. Senator Trueba, der diese Dinge
grundsätzlich haßte, begriff, was seine Freunde im Club
meinten, wenn sie sagten, der Marxismus habe in Lateinamerika
nicht die geringste Chance, weil er die magische Seite der Dinge
außer acht ließe. »Brot, Zirkus und irgendwas zum Verehren,
das ist alles, was sie brauchen«, schloß der Senator und
bedauerte im stillen, daß das Brot fehlte.
Eine gut koordinierte Kampagne wurde gestartet, um den
guten Namen des Expräsidenten vom Angesicht der Erde zu
tilgen, in der Hoffnung, daß das Volk aufhören werde, ihn zu
betrauern. Sie öffneten sein Haus und forderten das Publikum
auf, den, wie sie es nannten, »Palast des Diktators« zu
besichtigen. Man durfte in seine Schränke hineinsehen und über
Anzahl und Qualität seiner Wildlederjacken staunen, seine
Schubladen durchstöbern, in seiner Speisekammer schnüffeln,
um den kubanischen Rum und den Sack Zucker zu sehen, die
darin standen. Grob gefälschte Fotografien wurden in Umlauf
gesetzt, auf denen er, als Bacchus gekleidet und bekränzt mit
Trauben, in einer immerwährenden Orgie mit fülligen Matronen
und Athleten seines Geschlechts herumsprang, und niemand,
nicht einmal Senator Trueba glaubte, daß sie authentisch waren.
»Das geht zu weit, da ist ihnen die Hand ausgerutscht«,
grummelte er, als er es erfuhr.
Mit einem Federstrich änderten die Militärs die
Weltgeschichte, indem sie dem Regime nicht genehme
Episoden, Ideologien und Gestalten kurzerhand tilgten. Sie
zeichneten die Landkarte um, denn es war nicht einzusehen,
weshalb der Norden oben sein sollte, so fern dem
verdienstvollen Vaterland, da man ihn doch nach unten verlegen
konnte, wo er besser zur Geltung kam, und unter der Hand
malten sie mit Preußischblau lange Küsten mit nationalen
Gewässern, die bis an die Grenzen Asiens und Afrikas reichten.
In den Geographiebüchern bemächtigten sie sich ferner Land,
indem sie ungestraft die Grenzen verschoben, bis die
Bruderländer die Geduld verloren, in den Vereinten Nationen
einen Schrei ausstießen und den Militärs androhten, sie würden
mit Kriegspanzern und Jagdflugzeugen gegen sie anrücken. Die
Zensur, die sich anfa ngs nur auf die Medien erstreckt hatte,
wurde bald auch auf Schulbücher, Liedertexte, Filmthemen und
Privatgespräche ausgedehnt. Es gab Wörter, die kraft
Militärerlaß verboten waren, wie das Wort »Genosse«, und
andere, die man vorsichtshalber nicht in den Mund nahm,
obwohl keine Verordnung sie aus dem Wörterbuch verbannt
hatte, wie Freiheit, Gerechtigkeit und Gewerkschaft. Alba fragte
sich, woher von einem Tag auf den ändern so viele Faschisten
gekommen waren, denn in der langen demokratischen
Geschichte ihres Landes hatte man sie nie bemerkt, von ein paar
Spinnern während des Krieges abgesehen, die sich zum Spaß
Schwarzhemden anzogen und unter dem Gelächter und den
Pfeifkonzerten der Passanten mit ausgestrecktem Arm durch die
Straßen zogen, ohne daß sie im Leben des Landes eine wichtige
Rolle gespielt hätten. Ebensowenig konnte sie sich die Haltung
der Streitkräfte erklären, die in der Mehrzahl aus der
Mittelklasse und der Arbeiterklasse kamen und geschichtlich der
Linken nähergestanden hatten als der extremen Rechten. Sie
begriff nicht den Kriegszustand im Innern und machte sich nicht
klar, daß der Krieg das Kunstwerk der Militärs ist, die Krönung
ihrer Ausbildung, die goldene Spange ihres Berufs. Sie sind
nicht dazu geschaffen, im Frieden zu glänzen. Der Putsch gab
ihnen Gelegenheit, das in die Praxis umzusetzen, was sie in den
Kasernen gelernt hatten, und dazu einige andere Künste mehr,
die Soldaten beherrschen können, wenn sie ihr Gewissen und ihr
Herz zum Schweigen bringen.
Alba gab

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