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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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ihre Studien auf, weil die Philosophische Fakultät,
wie viele andere Fakultäten, die dem Denken die Türen
öffneten, geschlossen wurde. Auch mit der Musik machte sie
nicht weiter, weil ihr das Violoncello unter den gegebenen
Umständen frivol erschien. Viele Professoren wurden entlassen,
verhaftet oder verschwanden, in Übereinstimmung mit einer von
der politischen Polizei gehandhabten schwarzen Liste. Sebastián
Gómez wurde bei der ersten Hausdurchsuchung getötet,
angezeigt von seinen eigenen Schülern. Die Universität füllte
sich mit Spitzeln.
    Das Großbürgertum und die unternehmerische Rechte, die
den Putsch begünstigt hatten, jubelten. Anfangs waren sie ein
wenig erschrocken, als sie die Folgen ihres Vorgehens sahen,
denn sie hatten nie unter einer Diktatur leben müssen und
wußten nicht, was das war. Sie dachten, der Verlust der
Demokratie würde vorübergehend sein und eine Zeitlang könne
man schon ohne individuelle und kollektive Rechte leben, sofern
das Regime die Unternehmerfreiheit respektierte. Auch der
Verlust an internationalem Ansehen, der sie in die gleiche
Kategorie wie andere regionale Tyranneien abrutschen ließ,
kümmerte sie nicht, denn dafür, daß sie den Marxismus
entmachtet hatten, schien ihnen dieser Preis gering. Als
ausländisches Kapital ins Land kam, um in inländische Banken
zu investieren, schrieben sie das natürlich der Stabilität des
neuen Regimes zu. Daß für jeden Peso, der hereinkam, zwei
Pesos an Zinsen abgingen, übersahen sie geflissentlich. Als bald
darauf fast alle staatlichen Industrien zumachten und die
Kaufleute aufgrund der massiven Importe von Verbrauchsgütern
bankrott gingen, sagten sie, daß brasilianische Herde, Stoffe aus
Taiwan und japanische Motorräder eben besser seien als alles,
was je im Lande hergestellt worden sei. Erst als drei Jahre nach
der Verstaatlichung der Minen die Bergwerkskonzessionen an
die nordamerikanischen Gesellschaften zurückgegeben wurden,
fanden einige Stimmen, das sei dasselbe, wie das Vaterland, in
Zellophan gewickelt, zu verschenken. Als sie aber anfingen, die
durch die Agrarreform verteilten Ländereien den alten Besitzern
zurückzugeben, beruhigten sie sich: die guten alten Zeiten waren
wiedergekehrt. Sie sahen, daß nur eine Diktatur, die das ganze
Gewicht ihrer Macht einsetzte und niemandem Rechenschaft
ablegen mußte, so vorgehen konnte, daß ihnen ihre Privilegien
erhalten blieben. So kam es, daß sie aufhörten, über Politik zu
sprechen, und den Gedanken akzeptierten, daß sie die
wirtschaftliche Macht in Händen hielten, die Militärs aber
regierten. Die einzige Aufgabe der Rechten war, die Militärs bei
der Ausarbeitung der neuen Dekrete und Gesetze zu beraten.
Binnen weniger Tage wurden die Gewerkschaften abgeschafft,
waren die Arbeiterführer verhaftet oder tot, wurden die
politischen Parteien für unbefristete Zeit für aufgelöst erklärt
und alle Arbeiter- oder Studentenorganisationen und selbst die
Berufsgenossenschaften zerschlagen. Es war verboten, Gruppen
zu bilden. Der einzige Ort, wo sich die Leute versammeln
durften, war die Kirche, so daß in kürzester Zeit die Religion
Mode wurde und Pfarrer und Nonnen die Seelsorge
zurückstellen mußten, um für die irdischen Bedürfnisse dieser
hilflosen Herde zu sorgen. Regierung und Unternehmer
begannen sie als ihre potentiellen Feinde anzusehen, und einige
träumten davon, das Problem durch die Ermordung des
Kardinals zu lösen, da sich der Papst weigerte, ihn seines Amtes
zu entheben und in eine Anstalt für geistesgestörte Mönche zu
schicken.
    Ein großer Teil der Mittelklasse hatte den Militärputsch
begrüßt, weil er die Rückkehr zu Ordnung und guten Sitten, zu
Röcken bei Frauen und kurz geschnittenem Haar bei den
Männern bedeutete, bald jedoch begannen sie unter der Last der
hohen Preise und dem Mangel an Arbeitsplätzen zu leiden. Der
Lohn reichte nicht mehr zum Essen. In allen Familien gab es
einen Angehörigen zu betrauern, und sie konnten nicht mehr
sagen, wie noch am Anfang, daß, wenn einer gefangen, tot oder
im Exil sei, dann deshalb, weil er es verdient habe. Auch die
Folter konnten sie nicht länger bestreiten.
    Während die Geschäfte für Luxusartikel, die
wunderwirkenden Finanzierungsinstitute, die exotischen
Restaurants und die Importunternehmen florierten, standen die
Arbeitslosen vor den Fabriktoren Schlange in der Hoffnung, für
einen minimalen Tageslohn eingestellt zu werden.

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