Das Geisterhaus
und
roten Pfeilen markierten Gang. Auf meinen Stock gestützt, die
Füße nachziehend, hatte ich Mühe, ihr zu folgen. Wir kamen in
einen Patio, in dem eine Miniaturmoschee mit aberwitzigen
Spitzbogenfenstern und bunten Scheiben stand.
»Hier ist es. Wenn Sie etwas zu trinken wünschen, bestellen
Sie es telefonisch«, wies sie mich an.
»Ich möchte Tránsito Soto sprechen. Dazu bin ich
hergekommen«, sagte ich.
»Tut mir leid, aber die Señora empfängt keine Privatbesuche.
Nur Lieferanten.«
»Ich muß mit ihr sprechen! Sagen Sie ihr, daß ich Senator
Trueba bin. Sie kennt mich.«
»Sie empfängt niemanden, ich sagte es Ihnen schon«,
antwortete die Frau, die Arme auf der Brust verschränkend.
Ich hob den Stock und kündigte ihr an, daß, wenn Tránsito
Soto nicht binnen zehn Minuten in Person hier erschiene, ich die
Fensterscheiben und alles andere in dieser Büchse der Pandora
kurz und klein schlagen würde. Die Uniformierte wich
erschrocken zurück. Ich öffnete die Tür zur Moschee und stand
in einer kitschigen Alhambra. Eine kurze Treppe, gekachelt und
mit falschen Perserteppichen belegt, führte in einen
sechseckigen Raum, der oben in einer Kuppel endete und in den
jemand, der nie in Arabien gewesen war, alles hineingestopft
hatte, was seiner Ansicht nach zu einem arabischen Harem
gehörte: Damastkissen, gläserne Räucherpfannen, Glocken und
jede Menge Basarramsch. Zwischen den Säulen, durch eine
kluge Anordnung der Spiegel ins Unendliche vervielfältigt, sah
ich ein blau gekacheltes Bad, das größer war als das
Schlafzimmer, mit einer gewaltigen Badewanne, in der meiner
Schätzung nach eine Kuh hätte baden können und erst recht
zwei Liebende ihre Spiele spielen konnten. Das glich in nichts
mehr dem Cristóbal Colón, das ich gekannt hatte. Umständlich
ließ ich mich auf dem runden Bett nieder und fühlte mich
plötzlich sehr müde. Meine alten Knochen taten mir weh. Ich
blickte auf, und ein Spiegel an der Decke warf mir mein Bild
zurück: einen armen, klein gewordenen Körper, das traurige,
von bitteren Falten durchfurchte Gesicht eines biblischen
Patriarchen und die Reste einer weißen Löwenmähne. »Wie die
Zeit vergangen ist«, seufzte ich.
Tránsito Soto trat ein, ohne anzuklopfen.
»Ich freue mich, Sie zu sehen, Patron«, begrüßte sie mich wie
immer. Sie war eine alte Dame geworden. Schlank, einen
strengen Knoten im Nacken, im schwarzen Wollkleid und zwei
Reihen herrlicher Perlen um den Hals, gebieterisch und
gelassen, glich sie in ihrer äußersten Erscheinung eher einer
Konzertpianistin als einer Bordellbesitzerin. Ich hatte Mühe, sie
mit der Frau von einst in Verbindung zu bringen, der mit der
rund um den Nabel eintätowierten Schlange. Ich stand auf, um
sie zu begrüßen, und konnte sie nicht mehr wie früher duzen.
»Sie sehen gut aus,
Tránsito«, sagte ich, während ich
überschlug, daß sie über fünfundsechzig sein mußte.
»Es ist mir gutgegangen, Patron. Wissen Sie noch? Als wir
uns kennenlernten, sagte ich Ihnen, eines Tages würde ich reich
sein«, lächelte sie.
»Ich freue mich, daß Sie es erreicht haben.«
Wir setzten uns Seite an Seite auf das runde Bett. Tránsito
goß jedem einen Cognac ein und erzählte mir. Zehn lange Jahre
sei die Huren- und Schwulenkooperative ein fabelhaftes
Geschäft gewesen, aber die Zeiten hätten sich geändert, sie
hätten dem Haus einen anderen Zuschnitt geben müssen, denn
wegen der Freizügigkeit der Sitten, der freien Liebe, der Pille
und anderer Neuerungen habe außer alten Männern und
Matrosen niemand mehr Prostituierte gebraucht. »Anständige
Mädchen, die sich gratis hinlegen, stellen Sie sich diese
Konkurrenz vor!« sagte sie. Mit der Kooperative sei es bergab
gegangen, erklärte sie mir, die Mitarbeiter hätten in andere,
besser bezahlte Berufe abwandern müssen, selbst Mustafa sei in
seine Heimat zurückgekehrt. Da sei ihr die Idee gekommen, daß
jetzt ein Liebesnest das Richtige sei, ein angenehmer Ort, an
dem sich Pärchen heimlich treffen konnten und ein Mann seine
Braut mitnehmen konnte, ohne sich schämen zu müssen. »Keine
Frauen im Haus, die bringen die Gäste mit.« Sie selbst habe das
Haus eingerichtet, nach ihren eigenen Vorstellungen und mit
Rücksicht auf den Geschmack der Kunden, und so, dank ihres
kaufmännischen Weitblicks, der sie veranlaßt habe, jedem
verfügbaren Winkel ein anderes Ambiente zu geben, sei das
Hotel Cristóbal Colón das Paradies der verirrten
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