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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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das Haus derart verwahrlost war, konnte er nicht hoffen,
daß sich der Rest des Anwesens in besserem Zustand befand.
Einen Augenblick lang war er versucht, seine Koffer wieder auf
den Karren zu laden und dahin zurückzukehren, woher er
gekommen war. Dann verwarf er diesen Gedanken und fand,
daß, wenn etwas seinen Kummer und seine Wut über den
Verlust Rosas besänftigen konnte, dann dies: sich krumm zu
arbeiten auf dieser verwüsteten Erde. Er zog den Mantel aus,
holte tief Luft und trat auf den Hof, wo noch der Holzfäller
stand und in einiger Entfernung, mit der den Landleuten eigenen
Schüchternheit, die Hintersassen versammelt waren. Das
freundliche Lächeln, das er den rotznasigen Kindern, den
grindigen Alten und den hoffnungslosen Frauen zu schenken
versuchte, verkam ihm zur Grimasse.
»Wo sind die Männer?« fragte er.
     
Der einzige junge Mann trat einen Schritt vor. Er war
vermutlich gleichaltrig mit Esteban Trueba, wirkte aber älter.
    »Sie sind weggegangen«, sagte er.
»Wie heißt du?«
»Pedro Segundo García, Señor«, antwortete der andere.
    »Ich bin jetzt der Patron. Schluß mit dem Feiern. Wir werden
arbeiten. Wem das nicht paßt, der soll gleich gehen. Wer bleibt,
dem wird es an Essen nicht fehlen, aber er muß sich anstrengen.
Ich will keine Faulenzer und keine Aufrührer. Habt ihr
verstanden?«
    Sie sahen sich erschrocken an. Sie hatten nicht die Hälfte der
Ansprache verstanden, aber an seiner Stimme erkannten sie den
Herrn.
    »Wir haben verstanden, Patron«, sagte Pedro Segundo García.
»Wir wissen nicht, wohin wir gehen sollen, wir haben immer
hier gelebt. Wir bleiben.«
    Ein Kind hockte sich hin und begann zu scheißen, ein
räudiger Hund lief dazu und beschnüffelte es. Angewidert befahl
Esteban, das Kind heimzubringen und zu waschen und den
Hund zu töten. So begann das neue Leben, bei dem er im Lauf
der Zeit Rosa vergessen sollte.
    Niemand wird mir ausreden, daß ich ein guter Patron gewesen
bin. Jeder, der die Drei Marien in den Zeiten des Verfalls
gesehen hätte und sie heute sehen würde, wo sie ein
Musterbetrieb sind, würde mir recht geben. Deshalb akzeptiere
ich es nicht, wenn mir meine Enkelin mit dem Märchen vom
Klassenkampf kommt, denn alles in allem sind meine Bauern
heute viel schlechter dran als vor fünfzig Jahren. Ich war wie ein
Vater für sie. Mit der Agrarreform sind wir alle baden gegangen.
    Um die Drei Marien hochzubringen, nahm ich das ganze
Kapital, das ich für die Heirat gespart hatte, und alles, was mir
der Vorarbeiter aus der Mine schickte, aber was dieses Land
gerettet hat, war nicht das Geld, sondern die Arbeit und die
Organisation. Es sprach sich herum, daß auf den Drei Marien
ein neuer Patron war und daß wir mit Ochsengespannen die
Steine wegräumten und die Weiden umpflügten, um zu säen.
Bald kamen Männer, die sich als Tagelöhner anboten, weil ich
gut zahlte und reichlich zu essen gab. Ich kaufte Vieh. Das Vieh
wurde mir heilig und wurde nicht geschlachtet, auch wenn wir
das ganze Jahr über kein Fleisch zu sehen bekamen. So wuchs
der Viehbestand. Ich teilte die Männer in Trupps ein, und
nachdem wir die Felder bestellt hatten, gingen wir an den
Wiederaufbau des Herrenhauses. Unter den Leuten war keiner
Schreiner oder Maurer, mit Hilfe von Handbüchern, die ich
kaufte, mußte ich ihnen alles beibringen. Sogar
Klempnerarbeiten machte ich mit ihnen, wir besserten das Dach
aus, wir weißten das Haus, alles säuberten wir, bis es außen und
innen nur so glänzte. Ich verteilte die Möbel an die
Hintersassen, außer dem Eßtisch, der noch unversehrt war,
obwohl alles sonst vom Holzwurm befallen war, und dem
schmiedeeisernen Bett, in dem meine Eltern geschlafen hatten.
Ich wohnte in dem leeren Haus mit diesen zwei Stücken als
einzigem Mobiliar und ein paar Kisten zum Sitzen, bis Férula
mir aus der Hauptstadt die Möbel schickte, die ich bestellt hatte,
große, schwere, prunkvolle Möbel, solide, um viele
Generationen auszuhalten, und für das Landleben geeignet, wie
sich zeigte, denn es bedurfte eines Erdbebens, um sie
kaputtzukriegen. Ich stellte sie mehr nach dem Gesichtspunkt
der Bequemlichkeit als dem der Ästhetik auf, und als das Haus
erst einmal gemütlich war, fühlte ich mich zufrieden und
gewöhnte mich allmählich an den Gedanken, daß ich viele
Jahre, vielleicht mein ganzes Leben auf den Drei Marien
verbringen würde.
    Die Frauen der Hintersassen dienten abwechselnd im
Herrenhaus, und sie besorgten

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