Das Geisterhaus
auch den Garten, den ich
eigenhändig angelegt hatte und der mit geringen Veränderungen
noch heute so besteht. Damals arbeiteten die Leute, ohne zu
mucken. Ich glaube, daß meine Anwesenheit ihnen die
Sicherheit zurückgab. Sie sahen, daß dieses Stück Erde nach und
nach ein blühendes Land wurde. Es waren gute, einfache Leute,
es gab keine Aufwiegler. Es stimmt, sie waren sehr arm und sehr
unwissend. Ehe ich kam, bebauten sie nur ihre kleinen
Familiengrundstücke, von denen sie gerade so viel ernteten, daß
sie nicht verhungerten, vorausgesetzt, daß keine
Naturkatastrophen über sie hereinbrachen, wie Dürre, Frost,
Seuchen, Ameisen- oder Raupenschwärme, denn dann hatten sie
es schwer. Mit mir wurde das alles anders. Wir gewannen eine
nach der ändern die Wiesen für den Feldbau zurück, wir bauten
den Hühnerstall und die Viehställe neu auf und begannen, ein
System von Bewässerungsgräben anzulegen, damit die Saaten
nicht vom Klima, sondern von einem wissenschaftlichen
Mechanismus abhingen. Aber das Leben war nicht einfach. Es
war sehr hart. Manchmal ging ich ins Dorf und kam mit einem
Tierarzt zurück, der nach den Kühen und den Hühnern sah und
nebenbei auch einen Blick auf die Kranken warf. Es stimmt
nicht, daß ich davon ausgegangen wäre: wenn die Kenntnisse
des Veterinärs fürs Vieh reichen, langen sie auch für die Armen,
wie meine Enkelin sagt, wenn sie mich in Rage bringen will.
Sondern es war so, daß Ärzte in dieser gottverlassenen Gegend
nicht zu bekommen waren. Die Bauern gingen zu einer
indianischen Meica, zu der sie großes Vertrauen hatten. Viel
mehr als zum Tierarzt. Die Schwangeren entbanden mit Hilfe
ihrer Nachbarinnen, Gebeten und einer Hebamme, die selten
rechtzeitig eintraf, weil sie den Weg auf dem Esel zurücklegen
mußte, die aber ebensogut ein Kind zur Welt bringen konnte wie
ein querliegendes Kalb. Die Schwerkranken, solche, denen kein
Zauberspruch der Meica und kein Trank des Tierarztes mehr
helfen konnten, brachte Pedro Segundo García oder ich selbst
auf einem Wagen ins Spital der Nonnen. Die Toten wurden auf
einem kleinen Gottesacker unter dem Vulkan neben der
verlassenen Dorfkirche begraben, wo jetzt ein ordentlicher
Friedhof ist. Ein- oder zweimal im Jahr gelang es mir, einen
Pfarrer aufzutreiben, der die Brautpaare, das Vieh und die
Maschinen segnete, die Kinder taufte und ein paar verspätete
Gebete für die Gestorbenen sprach. Die einzige Abwechslung
war das Kastrieren der Schweine und Stiere, Hahnenkämpfe,
Himmel und Hölle und die unglaublichen Geschichten von
Pedro Garcia dem Alten, er ruhe in Frieden. Er war der Vater
von Pedro Segundo García, und er sagte, sein Großvater hätte in
den Reihen der Patrioten gekämpft, die die Spanier aus Amerika
hinauswarfen. Er brachte den Kindern bei, sich von Spinnen
stechen zu lassen und den Harn schwangerer Frauen zu trinken,
um immun zu werden. Er kannte fast so viele Pflanzen wie die
Meica, aber wenn er über die Anwendung entscheiden sollte,
verwechselte er sie und beging dadurch einige irreparable
Fehler. Allerdings, das gebe ich zu, hatte er eine
unübertreffliche Methode, Backenzähne zu ziehen, die ihn zu
Recht in der ganzen Gegend berühmt machte: eine Kombination
aus Rotwein und Vaterunser, die den Patienten in Trance
versetzte. Mir hat er schmerzlos einen Backenzahn gezogen, und
wenn er noch am Leben wäre, wäre er mein Zahnarzt.
Bald begann ich mich auf dem Land wohl zu fühlen. Meine
nächsten Nachbarn wohnten weit entfernt, der Weg zu ihnen
war auch zu Pferd lang, aber Gesellschaften interessierten mich
nicht, ich mochte die Einsamkeit, und außerdem brannte mir die
Arbeit unter den Händen. Ich wurde ein richtiger Wilder, ich
vergaß Wörter, mein Wortschatz schrumpfte, ich sprach nur
noch in Befehlen. Da ich keinen Grund hatte, mich vor irgend
jemandem zu verstellen, verstärkte sich die schlechte
Eigenschaft, die ich seit je hatte. Alles machte mich wütend, ich
wurde wild, wenn ich Kinder durch die Küche streifen und Brot
stehlen sah, wenn sich die Hühner im Patio herumtrieben, wenn
die Spatzen in die Maisfelder einfielen. Wenn mir meine
schlechte Laune zuviel wurde und ich mich in der eigenen Haut
nicht mehr wohl fühlte, ritt ich auf die Jagd. Lange vor
Tagesanbruch stand ich auf und zog los, mit meiner Jagdtasche
und meinem Hühnerhund, eine Flinte über der Schulter. Ich
mochte den Ritt in der Dunkelheit, die Morgenkälte, das lange
Lauern im Versteck,
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