Das Geisterhaus
mitmachen konnte, aber noch energisch
genug war, es mit eiserner Hand zu leiten und zu verhindern,
daß sich die Polizei einmischte und aller Geduld strapazierte
oder daß die Gutsbesitzer mit den Mädchen über die Stränge
schlugen und Rabatz machten, ohne dafür zu bezahlen. Von
allen Mädchen war Tránsito Soto diejenige, die am besten tanzte
und den Handgreiflichkeiten der Betrunkenen am ehesten
standhielt. Sie war unermüdlich und klagte nie, als besäße sie
die tibetanische Kraft, ihr schwaches Gerippe in den Händen der
Kunden zu lassen, während sie ihre Seele in ferne Regionen
versetzte. Sie gefiel Esteban Trueba, weil sie sich gegen die
Neuerungen in der Liebe und deren Brutalität nicht sträubte,
weil sie mit einer Stimme wie ein heiserer Vogel sang und weil
sie ihm einmal gesagt hatte, sie würde es noch weit bringen, was
ihn sehr belustigte.
»Ich bleibe nicht mein Leben lang im Farolito Rojo, Patron.
Ich gehe in die Hauptstadt, denn ich will reich und berühmt
werden«, sagte sie.
Esteban ging ins Freudenhaus, weil es der einzige
Vergnügungsort im Dorf war, aber er war kein Freund von
Prostituierten. Es widerstrebte ihm, für etwas zu zahlen, das er
auch mit anderen Mitteln haben konnte. Aber Tránsito Soto
gefiel ihm. Sie brachte ihn zum Lachen.
Eines Tages, nachdem sie sich geliebt hatten, fühlte er sich in
Spendierlaune, was kaum je vorkam. Er fragte Tránsito, ob er
ihr nicht ein Geschenk machen solle.
»Leih mir fünfzig Pesos, Patron«, bat sie auf der Stelle.
»Das ist viel Geld. Wozu willst du es?«
»Für eine Fahrkarte, ein rotes Kleid, ein Paar Schuhe mit
hohen Absätzen, ein Fläschchen Parfüm und eine Dauerwelle.
Mehr brauche ich für den Anfang nicht. Eines Tages zahl ich sie
dir zurück, samt Zinsen.«
Esteban gab ihr die fünfzig Pesos, weil er an diesem Tag fünf
Jungstiere verkauft hatte und seine Taschen von Geldscheinen
strotzten, und auch, weil ihn die Anstrengung der
Lustbefriedigung ein bißchen sentimental machte.
»Ich bedaure nur, daß ich dich dann nicht mehr sehen werde,
Tránsito. Ich habe mich an dich gewöhnt.«
»Wir sehen uns wieder, Patron. Das Leben ist lang und macht
viele Schleifen.«
Die Freßorgien im Club, die Hahnenkämpfe und die Abende
im Bordell gipfelten in einem intelligenten, wenngleich nicht
sonderlich originellen Plan, wie man die Bauern zum Wählen
bringen konnte. Die Gutsherren gaben ihnen ein Fest mit
Pasteten und viel Wein, ein paar Kühe wurden für den Bratspieß
geopfert, Sänger und Gitarristen bestellt. Dazu hielten sie ihnen
einige patriotische Reden und versprachen ihnen für den Fall,
daß der konservative Kandidat gewann, eine Gratifikation, sollte
ein anderer die Wahl gewinnen, würden sie ihre Arbeit
verlieren. Außerdem kontrollierten sie die Wahlurnen und
bestachen die Polizei. Nach dem Fest verfrachteten sie die
Arbeiter auf Wagen und fuhren sie, gut bewacht, unter Scherzen
und Gelächter zum Wahllokal. Es war die einzige Gelegenheit,
bei der sie sich den Arbeitern anbiederten, Compadre hier,
Compadre da, verlassen Sie sich auf mich, Patroncito, ich halte
Wort, so ist es recht, wenn du als Patriot denkst, denn schau, die
Liberalen und die Radikalen sind alle Schlappschwänze, und die
Kommunisten sind gottlos und Hurensöhne, die fressen die
kleinen Kinder.
Am Wahltag verlief alles wie vorgesehen und in tadelloser
Ordnung. Die Streitkräfte gewährleisteten einen friedlichen
demokratischen Ablauf, es war ein Tag im Frühling, heiterer
und sonniger als andere.
»Ein Musterbeispiel für diesen Kontinent der Indianer und
Neger, die nichts als Revolutionen machen, um den einen
Diktator zu stürzen und einen anderen einzusetzen! Chile ist da
ganz anders. Wir sind eine echte Republik, wir haben unseren
Stolz als Staatsbürger, bei uns gewinnt die Konservative Partei
die Wahlen sauber, und wir brauchen keinen General, der für
Ruhe und Ordnung sorgt, nicht wie in diesen kleinen Diktaturen,
wo sich die Leute gegenseitig umbringen, während sich die
Gringos die Rohstoffe holen«, rief Trueba im Speisesaal des
Clubs, das Glas in der Hand, als er die Wahlergebnisse erfuhr.
Drei Tage später, als alles zur Routine zurückgekehrt war, traf
Férulas Brief auf den Drei Marien ein. Esteban Trueba hatte in
der Nacht von Rosa geträumt, was ihm lange nicht mehr passiert
war. Er sah sie im Traum mit ihrem wie ein Laubmantel lose
über die Schultern fallenden Weidenhaar, ihre Haut war hart und
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