Das Geisterhaus
sie sich über die heißen Abende und die Fliegen
beklagt, über den Sandboden im Patio, der das Haus verstaubte,
»als ob wir in einem Bergwerkstollen hausten!«, über das
schmutzige Badewasser, das sich durch die Duftsalze in eine
chinesische Suppe verwandelte, über die fliegenden Kakerlaken,
die zwischen die Bettücher krochen, die Wanderwege der Mäuse
und Ameisen, die Spinnen, die frühmorgens im Wasserglas auf
dem Nachttisch zappelten, die unverschämten Hühner, die ihr
die Eier in die Schuhe legten und auf die frische Wäsche
kackten. Als das Wetter umschlug, hatte sie neues Ungemach zu
beklagen, den Matsch auf dem Hof, die kürzer werdenden Tage,
um fünf wurde es dunkel und man könne nichts mehr tun, als
der langen, einsamen Nacht ins Auge zu sehen, den Wind und
die Erkältungen, die sie mit Eukalyptusumschlägen bekämpfte,
ohne verhindern zu können, daß einer den ändern ansteckte. Sie
habe es satt, sagte sie, gegen die Elemente zu kämpfen und
keine andere Zerstreuung zu haben, als Bianca wachsen zu
sehen, und Bianca, sagte sie, sehe wie eine Menschenfresserin
aus, wenn sie mit diesem dreckigen Knirps spiele, diesem Pedro
Tercero, es sei doch die Höhe, sagte sie, daß das Kind keine
Spielgefährten aus der eigenen Gesellschaftsklasse habe, sie
gewöhne sich Unsitten an, laufe mit dreckstarrenden Backen
und Blutkrusten am Knie herum, »hör dir an, wie sie spricht,
wie eine India, ich habe es satt, ihr die Läuse aus dem Haar zu
suchen und sie gegen Krätze mit Methylenblau einzupinseln«.
Aber auch murrend behielt sie ihre steife Würde bei, den
unwandelbaren Knoten, die gestärkten Blusen, den
Schlüsselbund am Gürtel. Sie schwitzte nie, kratzte sich nie und
verlor nie das feine Aroma von Lavendel und Zitrone. Niemand
hätte gedacht, daß irgend etwas sie je um ihre
Selbstbeherrschung bringen könnte, bis zu dem Tag, an dem sie
einen Juckreiz am Rücken verspürte, der so stark war, daß sie
nicht umhin konnte, sich verstohlen zu kratzen, aber es half
nicht. Zuletzt ging sie ins Bad und zog das Korsett aus, das sie
auch an den Tagen härtester Arbeit trug. Als sich die Bänder
lösten, fiel eine betäubte Maus he raus, die den ganzen Vormittag
über eingeschnürt gewesen war und vergebens versucht hatte,
zwischen den harten Korsettstangen und dem
zusammengepreßten Fleisch der Trägerin einen Ausgang zu
finden. Férula bekam den ersten Nervenzusammenbruch ihres
Lebens. Auf ihr Geschrei hin liefen alle zusammen und fanden
sie totenbleich und halbnackt in der Badewanne stehen, brüllend
wie eine Wahnsinnige und mit bebendem Zeigefinger auf das
kleine Nagetier deutend, das zappelnd auf die Beine zu kommen
und einen sicheren Ort zu erreichen versuchte. Esteban sagte,
das seien die Wechseljahre, man solle nichts darauf geben. Auch
ihr zweiter Anfall wurde übergangen. Es war an Estebans
Geburtstag. Ein sonniger Sonntagmorgen brach an, und im Haus
herrschte Hochbetrieb, weil man zum erstenmal seit den
vergessenen Tagen, in denen Doña Ester ein junges Mädchen
war, auf den Drei Marien wieder ein Fest gab. Verwandte und
Freunde waren eingeladen, die mit dem Zug aus der Hauptstadt
anreisten, dazu alle Gutsbesitzer der Gegend und die
Würdenträger des Dorfs. Eine Woche lang wurde der
Festschmaus vorbereitet: eine halbe Kuh, im Patio gebraten,
Nierenpasteten, Hühnereintopf, Maisgerichte, ManjarblancoTorte und Lúcumas und die besten Weine aus eigener Ernte.
Mittags trafen die ersten Gäste ein, im Wagen oder zu Pferde,
und das große Lehmziegelhaus füllte sich mit Schwatzen und
Lachen.
Férula entzog sich der Gesellschaft für einen
Augenblick, um auf die Toilette zu gehen, eine jener riesigen
Toiletten des Hauses, in denen das Klo wie in eine r Wüste aus
weißen Kacheln mitten im Raum stand. Auf diesem einsamen
Thron saß sie, als die Tür aufging und einer der Gäste, kein
Geringerer als der Bürgermeister des Dorfs, eintrat und sich,
leicht beschwipst vom Aperitif, den Hosenschlitz aufknöpfte.
Verwirrt und überrascht vom Anblick der Señorita, erstarrte er,
und als er zu reagieren vermochte, fiel ihm nichts Besseres ein,
als mit einem schiefen Lächeln den Raum zu durchqueren, die
Hand auszustrecken und sie mit einem artigen Diener zu
begrüßen: »Zorobabel Blanco Jamasmié, zu Ihren Diensten«,
stellte er sich vor.
»Mein Gott! Unter diesen Hinterwäldlern kann man doch
nicht leben! Bleibt ihr, wenn ihr wollt, in diesem Fegefeuer der
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