Das Geisterhaus
Gemüse mehr essen konnte,
weil man Bauchweh davon bekam. Die Ameisen kamen wieder,
vermehrten sich, wurden von Tag zu Tag dreister und
entschlossener. Esteban ging zum zweitenmal nach San Lucas
und gab ein Telegramm in die Hauptstadt auf. Drei Tage später
entstieg Mister Brown dem Zug, ein zwergenhafter Gringo mit
einem geheimnisvollen Koffer, den Esteban als Agrartechniker
und Fachmann für Insektizide vorstellte. Nachdem er sich mit
einem Krug Bowle erfrischt hatte, öffnete er auf dem Tisch
seinen Koffer. Er entnahm ihm ein Arsenal nie gesehener
Instrumente, dann fing er eine Ameise und betrachtete sie
eingehend unter dem Mikroskop.
»Warum schauen Sie sie so an, Mister, wo doch alle gleich
sind?« fragte Pedro Segundo García.
Der Gringo gab keine Antwort. Als er die Familie, den
Lebensstil, die Standorte der Brutstätten, die Gewohnheiten und
die geheimsten Absichten der Ameisen erforscht hatte, war eine
Woche vergangen, und die Ameisen krochen bereits in die
Kinderbetten, hatten die Wintervorräte aufgefressen und
begonnen, Pferde und Kühe anzufallen. Da erklärte Mister
Brown, man müsse sie mit einem Produkt seiner Erfindung
bestäuben, dadurch würden die Männchen unfruchtbar werden,
die Ameisen sich also nicht weiter vermehren. Sodann müßte
man sie mit einem ebenfalls von ihm erfundenen Gift
besprühen, durch das die Weibchen von einer tödlichen
Krankheit befallen würden, und damit, versicherte er, sei das
Problem aus der Welt geschafft.
»Wie lange dauert das?« fragte Esteban Trueba,
dessen
Ungeduld allmählich in Wut umschlug.
»Einen Monat«, sagte Mister Brown.
»Bis dahin haben sie auch die Menschen aufgefressen,
Mister«, sagte Pedro Segundo García. »Wenn Sie erlauben,
Patron, hole ich meinen Vater. Vor drei Wochen hat er mir
gesagt, er wüßte ein Mittel gegen die Plage. Ich glaube, es sind
Spinnereien eines alten Mannes, aber wir verlieren nichts, wenn
wir es ausprobieren.«
Der alte Pedro Garcia wurde geholt und kam so schlurfend, so
schwarz, geschrumpft und zahnlos an, daß Esteban bei seinem
Anblick erschrak, weil er sich durch ihn bewußt wurde, wie
rasch die Zeit verging. Der Alte horchte, den Hut in der Hand,
blickte zu Boden, kaute die Luft mit seinen nackten Kiefern.
Dann verlangte er ein weißes Taschentuch, das
Férula aus
Estebans Schrank brachte. Hierauf trat er aus dem Haus und
ging über den Hof direkt in den Gemüsegarten, gefolgt von allen
Bewohnern des Hauses und dem ausländischen Zwerg, der
verächtlich lächelte, diese Barbaren, oh God! Umständlich ging
der alte Mann in die Hocke und begann Ameisen einzusammeln.
Als er eine Handvoll beisammen hatte, legte er sie in das
Taschentuch, verknotete die vier Zipfel und legte das Bündel in
seinen Hut.
»Ich will euch den Weg zeigen, Ameisen, damit ihr von hier
fortgeht und die übrigen mitnehmt«, sagte er.
Der Alte bestieg ein Pferd und ritt im Schritt davon,
Ratschläge und Empfehlungen für die Ameisen,
Weisheitsgebete und Zaubersprüche murmelnd. In Richtung
Gutsgrenze sahen sie ihn verschwinden. Der Gringo setzte sich
auf den Boden und lachte wie verrückt, bis Pedro Segundo
García ihn schüttelte.
»Lachen Sie über Ihre Großmutter, Mister, dieser alte Mann
ist mein Vater«, sagte er.
Als die Dämmerung anbrach, kam Pedro Garcia zurück.
Langsam stieg er vom Pferd, sagte dem Patron, er habe die
Ameisen auf die Straße gebracht, und ging in seine Hütte. Er
war müde. Am nächsten Morge n waren in der Küche keine
Ameisen zu sehen, auch nicht in der Speisekammer, man suchte
sie im Kornspeicher, im Stall, in den Hühnerställen, man ging
auf die Weiden und bis an den Fluß, alles wurde abgesucht und
keine Ameise fand sich, nicht eine. Der Agrartechniker wurde
wild.
»Mir sagen müssen, wie machen«, rief er.
»Sie müssen mit ihnen sprechen, Mister. Sagen Sie ihnen, daß
sie fortgehen sollen, daß sie hier schon zur Last fallen, und sie
verstehen es«, erklärte Pedro Garcia der Alte.
Clara war die einzige, die das Verfahren für natürlich hielt.
Férula berief sich jedesmal auf diesen Vorfall, wenn sie sagte,
sie säßen hier in einem Loch, in einer unmenschlichen Gegend,
in der die Gesetze Gottes und der Fortschritt der Wissenschaft
außer Kraft gesetzt seien, demnächst würden sie noch auf
Besenstielen reiten, aber Esteban schnitt ihr das Wort ab, weil er
nicht wollte, daß seine Frau auf neue Ideen kam. In den letzten
Tagen hatte Clara wieder ihre spiritistischen
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