Das Geisterhaus
Geschlechtskrankheit
holen, stimmt’s nicht? Das hier ist eine Sauerei. Nie wird
geputzt. Wenn Sie die Decke aufheben, springt Ihnen mit
Sicherheit ein Floh entgegen. Ich hab’s der Madame gesagt, aber
sie hört nicht auf mich. Sie hat keinen Sinn fürs Geschäft.«
»Und du hast ihn?«
»Klar, Patron. Ich habe tausend Ideen, wie man das Cristóbal
Colón hochbringen könnte. Ich bin mit Begeisterung bei
meinem Beruf, ich bin nicht wie die anderen, die immerzu
jammern und die Schuld auf ihr Schicksal schieben, wenn es
ihnen schlecht geht. Sie sehen, wie weit ich es gebracht habe,
ich bin schon die Beste. Wenn ich mich anstrenge, kann ich
eines Tages das beste Haus in ganz Chile haben, das schwöre
ich Ihnen.«
Sie amüsierte mich. Und ich konnte sie einschätzen, denn
Ehrgeiz sehe ich morgens beim Rasieren so oft im Spiegel, daß
ich ihn auch an anderen erkenne.
»Das scheint mir eine ausgezeichnete Idee, Tránsito. Warum
ziehst du nicht dein eigenes Geschäft auf? Ich gebe dir das
Kapital«, bot ich ihr an, fasziniert von dem Gedanken, meine
kommerziellen Interessen auch in dieser Richtung auszudehnen.
Ich muß ziemlich betrunken gewesen sein.
»Nein danke, Patron«, antwortete
Tránsito, mit einem
chinarot lackierten Nagel die um den Nabel geringelte Schlange
streichelnd. »Ich will nicht einen Kapitalisten loswerden, um
einem anderen in die Hand zu fallen. Eine Kooperative müßte
man gründen und die Puffmutter zum Teufel schicken! Haben
Sie noch nie davon gehört? Sehen Sie sich vor: wenn Ihre
Hintersassen eine Landkooperative gründen, haben Sie das
Nachsehen. Was ich möchte, das ist eine Hurenkooperative. Es
könnten Huren und Schwule sein, um dem Geschäft eine
breitere Basis zu gebe. Wir brächten alles, das Kapital und die
Arbeit. Wozu brauchen wir einen Patron?«
Wir liebten uns auf die gewalttätige, wilde Art, die ich vor
lauter Segeln auf den stillen Wassern der blauen Seide fast
vergessen hatte. In diesem Gewühl der Kissen und Laken,
verschnürt im lebendigen Knoten der Lust,
ineinandergeschraubt, bis wir nicht mehr konnten, fühlte ich
mich wieder wie ein Zwanzigjähriger, froh, diese stürmische
schwarze Frau in den Armen zu halten, die nicht in Fetzen ging,
wenn ich sie nahm, eine starke Stute, die man rücksichtslos
reiten konnte, ohne das Gefühl zu haben, daß die Hände zu
schwer und die Füße zu groß sind, die Stimme zu hart oder der
Bart zu stachlig, eine Frau, die einen Schwall obszöner Worte
aushielt und nicht mit Zärtlichkeiten eingelullt und mit
Komplimenten betrogen werden mußte. Dann ruhte ich eine
Weile neben ihr aus, müde und glücklich, den kräftigen
Schwung ihrer Hüfte und das Zittern der Schlange bewundernd.
»Wir sehen uns wieder, Tránsito«, sagte ich, als ich ihr das
Trinkgeld gab.
»Das habe auch ich schon einmal gesagt, Patron, erinnern Sie
sich?« antwortete sie mit einem letzten Lächeln der Schlange.
In Wahrheit hatte ich nicht die Absicht, sie wiederzusehen.
Ich zog es vor, sie zu vergessen.
Ich hätte diese Episode nicht erwähnt, wenn Tránsito nicht
lange Zeit später eine so wichtige Rolle für mich gespielt hätte,
denn ich bin, wie gesagt, kein Freund von Prostituierten. Aber
diese Geschichte hätte nicht geschrieben werden können, wenn
Tránsito Soto nicht eingegriffen hätte, um uns und damit auch
unsere Erinnerungen zu retten.
Wenige Tage später, als Doktor Cuevas das Ehepaar gerade
seelisch darauf vorbereitete, daß er Clara zum zweitenmal den
Bauch würde aufschneiden müssen, starben Severo und Nivea
del Valle, die eine Reihe von Kindern und siebenundvierzig
lebende Enkel hinterließen. Clara erfuhr es durch einen Traum
früher als die anderen, aber sie sagte es niemandem außer
Férula, die sie zu beruhigen versuchte, indem sie ihr erklärte,
Schwangerschaften führten zu erhöhter Schreckhaftigkeit und
dadurch häufig zu bösen Träumen. Sie verdoppelte ihre
Fürsorge, rieb sie mit süßem Mandelöl ein, damit sich auf dem
Bauch keine Streifen bildeten, bestrich ihre Brustwarzen mit
Bienenhonig, damit sie nicht aufsprangen, gab ihr gemahlene
Eierschalen zu essen, damit sie gute Milch bekam und ihre
Zähne nicht locker würden, und betete Bethlehemsgebete für
eine gute Geburt. Zwei Tage nach dem Traum kam Esteban
früher als sonst nach Hause, bleich und aufgeregt, nahm seine
Schwester Férula am Arm und schloß sich mit ihr in der
Bibliothek ein.
»Meine Schwiegereltern sind bei einem
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