Das Geisterhaus
Frau sei mir recht, wenn sie nur jung wäre und sauber.
»Sie sind mir sympathisch, Monsiú«, sagte sie. »Ich bringe
Ihnen das Beste, was das Haus zu bieten hat.«
Auf ihr Rufen kam eine Frau herein, in ein hautenges
schwarzes Satinkleid gezwängt, das ihre üppige Weiblichkeit
kaum fassen konnte. Sie trug das Haar über ein Ohr gekämmt,
eine Frisur, die ich nie habe ausstehen können. Wenn sie ging,
verströmte sie einen fürchterlichen Moschusgeruch, der in der
Luft stehenblieb wie ein Seufzer.
»Ich freue mich, Sie zu sehen, Patron«, begrüßte sie mich,
und da erkannte ich sie wieder, denn die Stimme war das
einzige, was an Tránsito Soto unverändert geblieben war.
Sie führte mich in ein Zimmer mit dunklen Vorhängen vor
den Fenstern, das wie eine Gruft war, aber im Vergleich zu der
schäbigen Einrichtung im Farolito Rojo wie ein Palast wirkte.
Dort zog ich selbst Tránsito Soto das Kleid aus, löste ihre
schreckliche Frisur auf und sah, daß sie in diesen Jahren größer,
fülliger und schöner geworden war.
»Du hast dich entwickelt, Tránsito«, sagte ich.
»Dank Ihrer fünfzig Pesos, Patron. Sie haben mir zu einem
Start verhelfen«, antwortete sie, »und jetzt kann ich sie Ihnen
zurückgeben, angepaßt, denn durch die Inflation sind sie nicht
mehr soviel wert wie früher.«
»Mir ist lieber, du schuldest mir eine Gefälligkeit, Tránsito«,
lachte ich.
Zuletzt zog ich ihr die Unterröcke aus und stellte fest, daß von
dem mageren Mädchen mit den spitzen Ellbogen und Knien, das
im Farolito Rojo gearbeitet hatte, so gut wie nichts geblieben
war, ausgenommen die unermüdliche Bereitschaft zur
Sinnlichkeit und die heisere Vogelstimme.
Ihr Körper war enthaart, und ihre Haut, erklärte sie mir, sei so
lange mit Limonen und Hamamelis eingerieben worden, bis sie
weich und weiß geworden sei wie die eines Säuglings. Ihre
Fingernägel waren rot lackiert, und um den Nabel hatte sie eine
Schlange eintätowiert, die sie in wellenförmigen Windungen
kreisen lassen konnte, ohne daß sich der übrige Körper im
mindesten bewegte. Während sie mir dieses Kunststück
vorführte, erzählte sie mir ihre Geschichte.
»Was wäre aus mir geworden, wenn ich in Farolito Rojo
geblieben wäre, Patron? Ich hätte schon keine Zähne mehr, eine
alte Frau wäre ich. In diesem Beruf verbraucht man sich schnell,
wenn man nicht aufpaßt. Deshalb bin ich nie auf die Straße
gegangen. Ich mochte das nie, das ist sehr gefährlich. Auf der
Straße braucht man einen Zuhälter, sonst ist es zu riskant.
Niemand respektiert einen. Aber warum soll ich einem Mann
geben, was ich sauer verdient habe? In dieser Beziehung sind
die Frauen dumm. Sie sind an Strenge gewöhnt. Sie brauchen
einen Mann, um sich sicher zu fühlen, und merken nicht, daß es
gerade die Männer sind, die sie fürchten sollten. Sie sind
unfähig zur Selbständigkeit, sie brauchen jemanden, für den sie
sich aufopfern können. Die Strichmädchen sind die
Schlimmsten, Patron, glauben Sie mir. Sie schuften sich zu Tode
für einen Zuhälter, sie freuen sich noch, wenn er sie schlägt, sie
sind stolz, wenn er gut gekleidet geht und Goldzähne und
goldene Ringe hat, und wenn er mit einer anderen, Jüngeren,
abhaut und sie sitzenläßt, verzeihen sie es ihm, weil er ›ein
Mann ist‹. Da bin ich anders, Patron. Mich hat nie ein Mann
ausgehalten, und da müßte ich doch verrückt sein, wenn ich
einen aushaken wollte. Ich arbeite für mich. Was ich verdiene,
gebe ich aus, wie ich will. Das hat mich viel gekostet, glauben
Sie mir, leicht war das nicht, denn die Bordellbesitzerinnen
arbeiten nicht gern mit Frauen, sie verhandeln lieber mit einem
Zuhälter. Sie helfen einem nicht weiter. Vor einer Frau haben
sie keinen Respekt.«
»Aber hier schätzt man dich allem Anschein nach, Tránsito.
Mir wurde gesagt, du seist das Beste, was das Haus zu bieten
hat.«
»Das stimmt auch. Wenn ich nicht wäre und nicht wie ein
Esel schuften würde, ginge dieses Haus flöten. Die anderen sind
schon ausgelaugt, Patron. Hierher kommen nur noch alte
Männer, das Haus ist nicht mehr, was es einmal war. Man müßte
das alles modernisieren, um die städtischen Angestellten
hereinzubringen, die über die Mittagszeit nichts zu tun haben,
die jungen Leute, die Studenten. Die Zimmer müßten
vergrößert, das Lokal freundlicher und alles gründlich gesäubert
werden. Gründlich! Dann haben die Klienten Vertrauen und
denken nicht mehr, daß sie sich eine
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