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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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Ich hätte mich kümmern sollen. Ich habe nur daran gedacht, diesen armen Wurm loszuwerden. Mir war egal, was aus diesem Spross wird. Mir war nur wichtig, was ich dafür bekomme, für diesen Dienst …« Ermattet ließ sich Randegg ins Kissen fallen.
    »Du hast das Patriarchat dafür bekommen, nicht, Oheim?«, fragte Sander vorsichtig.
    Randegg nickte und atmete noch schwerer: »Nur zwei Jahre nach der Abdankung der Gräfin wurde ich auf höchsten Befehl nach Aquileia entsandt.« Es war, als wäre alles Leben aus dem Gesicht Bernhards von Randegg gewichen, so bleich, so ruhig lag er in seinen Kissen. Sein Flüstern war kaum zu hören, und Sander musste sich nahe zu ihm beugen, um zu verstehen, was er zu sagen hatte.
    »Sander, Gerechtigkeit. Gerechtigkeit muss diesem Kind widerfahren. Ich bitte dich, finde es!«
    »Aber wie denn, Oheim? Wie soll ich den Erben denn erkennen?«
    »Die Adlerstola, es gibt ein Band zwischen der Großmutter und dem Enkel …«, keuchte Randegg.
    Das konnte doch nicht der Ernst seines Onkels sein! Er sollte nach einem Stück Stoff suchen und daran niemand Geringeren als den Erben von Tirol erkennen? Sander zweifelte an der Zurechnungsfähigkeit des Patriarchen, fragte aber doch aus Höflichkeit:
    »Aber bitte, wo soll ich denn suchen, mein Oheim?«
    »Wien. In Wien. Dort musst du hin. Wende dich an die Minderen Brüder. Die wissen davon. Du weißt ja Sander, die Minderen Brüder. Versprich es mir, mein Sohn, dass du dich darum kümmern wirst, bitte, versprich es mir!« Die Stimme des Patriarchen war dünn und flehend geworden.
    Sander nickte ihm beruhigend zu, und nur ein leichtes Zittern seiner Lippen verriet ihm, in welchem seelischen Aufruhr sein Vormund sich befand.
    »Wo immer sich dieser Nachkomme befindet, Oheim. Ich verspreche, ich werde nicht eher ruhen, bis ich weiß, was mit diesem Jüngling passiert ist. Du kannst dich auf mich verlassen. Du hast so viel für mich getan, da werde ich wohl den rechtmäßigen Erben von Tirol für dich finden können!«
    Erschrocken richtete sich der Patriarch auf: »Nein, Sander, du verstehst nicht …«, ein weiterer Hustenanfall ließ ihn verstummen.
    Sander sprach besänftigend auf seinen Oheim ein: »Ich habe verstanden, sei beruhigt. Ich werde nach Wien reisen und dort suchen. So ein junger Mann kann sich doch nicht in Luft auflösen!
    »Sander«, flüsterte Bernhards ein letztes Mal, und seine Lippen formten die Worte, »du verstehst mich nicht …« Was sein Mündel nicht verstanden hatte, konnte er nicht mehr sagen, sein letzter Atemzug reichte nicht aus, diesen Gedanken in Worte zu kleiden.
    Der Patriarch von Aquileia starb am Anfang dieses goldenen Herbstes in Lucca und ließ am Ende seines Lebens ein dunkles Geheimnis zurück, dessen Lösung sich im fernen Wien befinden sollte. Sander war nicht überzeugt, dass alles, was sein Oheim ihm anvertraut hatte, auch der Wahrheit entsprach. Dementsprechend halbherzig machte er sich an die Vorbereitungen und erwartete nichts, außer dem letzten Wunsch Bernhards von Randegg irgendwie zu entsprechen. Das hatte er fest vor, auch wenn er wieder in diese seltsame Stadt nördlich der Alpen reisen musste!

    *
    Wien im Herbst des Jahres 1382

    »Jetzt tuats do weida! Gemma, gemma, ihr Brodler.« 3 Schweißgebadet stand Barthel auf dem vorderen Wagen und trieb seine Hauerknechte an, sich hurtig umzudrehen, die Butten mit den prallen, gelbgrünen Trauben schnell auf die Lagefläche zu kippen und flink wieder in die Rebenzeilen zu gehen. Da konnten die Lesehelfer dann wieder ihre Holzbottiche, die inzwischen wieder voll Trauben waren, in die leeren Butten schütten. Dann wieder alles von vorn. So wollte er das haben, so sollte es sein, und sein Ärger war groß, weil heute so ganz und gar nichts weiterging. Sein Schweiß vermischte sich mit dem süßen, klebrigen Saft der Trauben, den er inzwischen überall unter seinem großen Hemd hatte, und akkurat hatten ihn bereits drei Wespen gestochen. Wie das alles juckte, das Hemd, der Schweiß, die Wespenstiche!
    Inzwischen war der vordere Wagen voll, und die Pferde, die ebenfalls unruhig waren wegen der Fliegen und Bremsen, durften sich endlich ins Zeug legen. Schnell sprang Barthel auf den nächsten Wagen und begann von Neuem, seine Leute anzutreiben.
    »Wenn’s ihr heit no des Türl passieren wollts, dann aber fix!« 4 Fast drei Wochen war Barthel mit der Weinlese beschäftigt, und sein Kreuz tat ihm bereits höllisch weh. Aber er wusste, dass es noch

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