Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Unwissenheit den anderen Frauen auf die Nase gebunden hätte, dass sie noch Jungfrau war. Zack – und sie wäre vor die Tür gesetzt worden!
»Ja und warst es nicht auch du, die gschaut hat, dass die Gretlin für euer greisliches Zeug all die schönen Tüchel stickt?«, setzte Barthel triumphierend nach.
»Ja freilich«, meinte Johanna nur. Daran war nicht zu rütteln. Seit Gretlin die grauen und groben Stofffetzen, mit denen der Korken früher fest in die Hälse der Krüge gesteckt wurde, durch leinene Tücher mit dem Zeichen des Klosters Hieronymus, mit Blüten, Obst und Gemüse bestickt hatte, verkaufte sich das Essigsaure noch einmal so gut. Es sah einfach edler und teurer aus. Inzwischen waren die verschiedenen Tüchel zu begehrten Sammelobjekten geworden, um die sich die Wiener Bürgersfrauen nur so rissen.
»Na, da siehst, Hannerl. Kannst es dir ja gar net leisten, die Gretlin an so an Haderlumpen, der sie heiraten will, zu verliern!«
»Aha, daher weht der Wind«, meinte Johanna belustigt, »eifersüchtig bist, du alter Bock. Aber alle Männer sind keine Haderlumpen, weißt, und für die Gretlin wär a nettes Mannsbild und a Haufen Kinder schon mehr als an der Zeit!«
Damit drehte sie sich um, was nichts anderes bedeutete, als dass sie über dieses Thema nicht mehr sprechen wollte, oder besser gesagt konnte. Die Wahrheit, die sie Barthel nun einmal nicht anvertrauen konnte, war, dass sie selbst, Johanna Maipelt auch nicht jünger wurde und das Geheimnis der Jungfernschaft Gretlins bei ihr in guten Händen war, aber eben nur jetzt. Wer würde das unbedarfte Kind, das ahnungslose Mädchen, das jetzt zur weltfremden Frau herangewachsen war, vor den Stürmen des Lebens da draußen bewahren? Susanna, so nett und entgegenkommend sie auch war, würde es nicht dulden, Gretlin Schutz und Unterschlupf in Sankt Hieronymus zu gewähren, wenn sie wüsste, dass das gelbe Hurentüchel, mit dem Gretlin hier hereingeweht wurde vor acht Jahren, nur Verkleidung gewesen war. Seufzend wischte Hannerl über den ohnedies sauberen Tisch und nahm Barthel mit einer schnellen Handbewegung seinen Becher weg: »Hast nix zu tun, auf, auf, deine Leut haben die Trauben schon fast in der Press!« Barthel, der Anstalten machte, sich stöhnend aufzurappeln, ließ sich gleich wieder auf die Bank plumpsen, als er ein spindeldürres Weib mit einer Kraxen zur Tür hereinstolpern sah. »Oh je, die Barbel«, seufzte er.
Das Kräuterweibel erfreute sich, obwohl es nun schon steinalt sein musste, bester Gesundheit. Es sah zwar nicht aus wie das blühende Leben, hatte enorm an Gewicht verloren, sodass aus dem ehemals fülligen Frauenzimmer eine ganz und gar verrunzelte, vertrocknete und dürre Greisin geworden war, doch sie war der beste Beweis, dass ihre Kräuter langes Leben bescherten. Ihr Haar erinnerte zwar entfernt an welke Kräuselpetersilie, ihre Haut an die Schale einer gelben Rübe und ihr Atem an überstandigen Knoblauch und faulen Zwiebel, aber ihr Verstand arbeitete nach wie vor so scharf wie frischer Rettich. Mit einer Beständigkeit, die an das Stundenbeten der Büßerinnen im Kloster erinnerte, lieferte sie Johanna schon seit Jahren Kräuter und Gemüse für ihren Gewürzsud, den diese, mit feinstem Weinessig veredelt, über alles, was in Wien wuchs, goss. Fisch, Fleisch, Äpfel, Birnen, Kirschen, Marillen, Gurken, Karotten, Sellerie, Bohnen und seit Neustem auch Eier – rein gar nichts war vor Johannas Essigaufguss sicher. Der Bedarf an Kräutern und Gewürzen war in den letzten Jahren mächtig gewachsen, und die Barbel, obwohl sie fast täglich ins Kloster humpelte, kam mit dem Liefern kaum mehr nach. So hatte Hannerl auch noch etliche andere Zubringer unter ihrer Fuchtel, einmal mehr, weil die Kräuter, die die Barbel brachte, nicht nur der Menge nach zu wenig waren, sondern auch in der Auswahl an Sorten gering. Zu mutig war sie schon in ihren Kompositionen geworden, dass sie nicht mehr nur grüne Petersilie, Brunnenkresse, Liebstöckel, Fenchel oder Wacholderbeeren verarbeitete. Nein, Johannas Kreationen waren inzwischen ausgefallen und unvergleichlich. Da fuhr sie schon mit anderer Munition auf: Senfkörner, Ingwer, Zimt, Muskat, Safran oder – das war zurzeit ja das absolut Aufregendste für sie – Pfeffer! Sie hatte da schon eine sehr verlässliche Person kennengelernt, über sieben Ecken! Geheim natürlich, ohne dass die anderen Büßerinnen etwas davon erfuhren. Nur die Susanna natürlich, die musste den Luxus ja
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