Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Handelsreisende keine andere Wahl gehabt. Als ihn von Augsburg der Hilferuf der Kaufmannsfamilie Randegg ereilte, er solle doch ihren jüngsten Spross auf seiner bevorstehenden Reise nach Wien mitnehmen, weil Alexander wichtige Geschäfte im Auftrag seines verstorbenen Oheims zu erledigen hatte, konnte Ludwig schlecht ablehnen. Schon seit Jahren waren die Beziehungen der Familie Randegg zu seiner Familie, der Fütterer in Nürnberg, nicht nur auf kaufmännische Belange beschränkt, sondern bereits als echte Freundschaft zu bezeichnen. Außerdem ließ der Burggraf von Nürnberg, der ja jetzt der Schwiegervater Herzog Albrechts mit dem Zopf war, über ein paar Umwege durchblicken, dass er Ludwig für diesen Dienst ein paar Ausnahmeregelungen bezüglich des streng geregelten Wiener Stapelrechts zukommen lassen würde. Also hatte es für ihn auch geschäftliche Vorteile, wenn er dem jungen Randegg half, sicher nach Wien zu kommen.
Wieder blickte er nach vorn, wo sich Sander inzwischen etwas abgelenkt hatte und mit einem hochgewachsenen, schlanken Mann, den Ludwig eindeutig als Mathis Imhoff, der mit Gewürzen und Seidenstoffen handelte, erkannte, ins Gespräch gekommen war. Ludwig Fütterers Gefühl sagte ihm, dass Sander bei diesem Mann gut aufgehoben war, denn die Imhoffs, eine alte Familie aus Augsburg, standen in Begriff, zu den führenden Nürnberger Kaufmannsfamilien aufzusteigen. Also sollte der Jungspund sich ruhig da vorn verplaudern, besser, er jammerte den Imhoffs etwas vor als ihm selbst. Doch zu früh gefreut, Sander stand eben in Begriff, wieder zurück zu Diener und Pferd zu kommen!
»Luigi«, tönte es da schon von Weitem, »es scheint loszugehen.« Hektisch nahm Sander seinem Knecht die Zügel aus der Hand und schwang sich auf sein Pferd.
»Nur langsam, langsam«, beruhigte ihn Ludwig und legte seine Hand beschwichtigend auf den Unterarm seines jungen Freundes, »da vorn die Fässer, die müssen noch auf den Karren, und dann könnte es etwas werden!«
»Ach die paar Weinfässer, die sind ja gleich verstaut.« Sander machte eine wegwerfende Handbewegung und fühlte sich mindestens so erfahren wie sein Gegenüber, hatte er ja gerade erst mit diesem Imhoff gesprochen, der ihm so einiges über den Handel mit Wien erzählt hatte.
Ludwig grinste. »Das ist kein Wein, sondern feinstes Olivenöl. Da würden wir Eulen nach Athen tragen, wenn wir Rebensaft in die Stadt an der Donau liefern.«
»Trinken die nicht in Wien?«, fragte Sander und sah sich im fernen, kalten Norden schon betrübt bei Kindergetränken wie Apfelmost oder Zitronenlimonade sitzen.
Jetzt lachte Ludwig und klopfte Sander übermütig auf die Schulter: »Nein, Alessandro, die trinken nicht.« Auf das verdutzte Gesicht des jungen Mannes hinauf wieherte der Kaufmann vor Vergnügen. »Alessandro, die trinken nicht, die saufen !« Verständnislose Blicke trafen ihn.
»Schau«, erklärte er, »in Wien ist das so: Da werden Ackerflächen aufgegeben und stattdessen ausgedehnte Weingärten angelegt. Rund um die Stadt reiht sich ein Rebstock an dem anderen. Die Hauerknechte sind die bestbezahlten Arbeiter, die Lese dauert über 40 Tage, und fast jeder Hausbesitzer hat einen Weinausschank!«
Sander pfiff durch die Zähne.
»Ja, mein Freund. Ich denke, nirgends wird so viel gesoffen wie in Wien. Und ganz heikel sind sie auf ihren Rebensaft. Es ist uns Händlern schlichtweg verboten, Wein einzuführen. Die trinken nur den eigenen.«
»Schmeckt er denn so gut, der Wiener Wein?«
»Ansichtssache, mein Freund. Für den italienischen Gaumen, nun sagen wir … Na ja, du probierst das einfach selbst aus«, kam es zögerlich von Ludwig.
Sander, der noch nachhaken wollte, besann sich eines Besseren, denn endlich, endlich ging es los, und der Tross der deutschen Kaufleute zog reich bepackt Richtung Wien.
Was dieses Mal wohl auf mich zukommen wird, dachte der junge Randegg und erinnerte sich an seine erste Reise vor acht Jahren an der Seite seines Oheims. Wehmut überkam ihn, umso mehr, wenn er an seinen jungen, lustigen Freund Ewald dachte. Wie lang war das schon her. Leider hatte er nichts mehr vom jungen Wolkenberg gehört, bis auf ein paar spärliche Nachrichten, dass ihn nach der Preußenfahrt mit Herzog Albrecht die pure Reiselust überkommen habe und er bis nach Arabien und Persien gekommen sein soll. Na ihm, Sander, reichte Wien schon! Eigentlich wollte er ja gar nicht in diese Stadt, an die er keine guten Erinnerungen hatte. Wären da nicht
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