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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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den kleinen Burschen gewesen. Außerdem war Bernhard von Randegg beinahe schon im siebzigsten Jahr, und auf einer weiten Reise konnte wer weiß was passieren. Tragische Bilder von Räubern, Seuchen, Wegelagerern, wilden Tieren und Schneestürmen zogen an Alexanders innerem Auge vorbei, bis er sie resolut mit einer Handbewegung wegwischte, als wären es lästige Fliegen, die sich an einem großen Stück Parmaschinken zu schaffen machten.
    Seufzend zog sich der 14-Jährige an, die ledernen Beinkleider, das Unterhemd, sein wattiertes Wams, die bequemen Stiefel. Den großen, weiten Reisemantel und den breitkrempigen Hut würde er mit nach unten nehmen. Vorerst hatte er Hunger und wollte frisches Gebäck und seine warme Honigmilch serviert bekommen, so wie jeden Tag. Auch wenn er zu so früher Stunde normalerweise noch nichts zu sich nehmen konnte.
    »Alexander, da bist du ja endlich«, stieß sein Onkel erleichtert hervor, als er seinen Neffen aus dem Palazzo ducale kommen sah. Er selbst war bereits reisefertig und stieg in seinem fortgeschrittenen Alter noch recht gelenkig auf den Rücken seines prachtvollen Pferdes. Fackeln erhellten zu so früher Stunde die Piazza San Michele und warfen pittoreske Schatten auf das bunte Treiben rund um den Patriarchen. Ein ganzer Tross von Panzerreitern, Kaufleuten, Händlern und kirchlichen Würdenträgern begleitete den Zug. Eine Herde von Packpferden wurde mit Stoffballen beladen, Seide, Brokat und feinstem Leinen, das hier in Oberitalien von hervorragender Qualität war. Olivenöl und Wein, in Steinkrügen und Fässern, wurden als wertvolles Gut auf bereitstehende Maultiere gepackt. Alexander, der bis zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen konnte, mit welchem Aufwand sein Oheim die Reise antrat, sah sich staunend um.
    »Die wollen alle über die Alpen?«, fragte er ungläubig.
    »Gewiss«, antwortete sein Onkel.
    »Kommen sie auch wieder mit uns zurück?«, fragte er unsicher.
    »Aber nein, die haben einen viel weiteren Weg vor sich. Wenn sie ihre Waren verkauft haben, gehen sie den Goldenen Steig von Reichenhall bis nach Böhmen!«, erwiderte der Patriarch.
    »Gold?«
    »Ja, mein Sohn, weißes Gold, Salz! Und jetzt hör auf, hier in der Gegend herumzustehen und mir Löcher in den Bauch zu fragen. Dein Pferd ist gesattelt, steig auf, es geht los!«
    Als sich Alexander gewandt in den Sattel schwang, hielt er kurz inne.
    »Alessandro, Alessandro!«, hörte er rufen.
    »Nein, nicht schon wieder!« Der Jüngling verdrehte die Augen, und sein Onkel lächelte verschmitzt, als er die Tochter seines Hausknechtes mit fliegenden Zöpfen auf sie beide zulaufen sah.
    »Ella, mein Sonnenschein, was machst du denn hier, zu nachtschlafender Zeit?«, sanft strich Bernhard dem jungen Mädchen über den Kopf.
    »Ich hab was für Alessandro!«, erwiderte Ella und steckte dem Jüngling einen kleinen kostbar bestickten Beutel zu. »Öffne ihn erst, wenn Du ganz, ganz schrecklich Heimweh hast!«, sagte sie wehmutsvoll, drehte sich schnell um und lief weg.
    Verlegen steckte Alexander den Beutel in die Tasche seines weiten Mantels, und sein Onkel hörte ihn sagen:
    »Lästiger Weibertand, unseliger …«
    »Manches Mal, mein Sohn, halten uns gerade dieser Tand am Leben und die Gewissheit, dass sich jemand Gedanken um unser Wohlergehen macht. Aber jetzt komm, verschwenden wir die kostbaren Morgenstunden nicht mit tiefgründigen Gesprächen über die unerklärliche Weiberseele!«
    Auf einen Fingerzeig des Patriarchen tönte das Horn zum Abmarsch, und der ganze Tross setzte sich in Bewegung. Wie zur Bekräftigung schlug am Torre delle Ore die sechste Stunde.
    Gleich darauf läuteten die Glocken von San Michele al foro wie zum Abschied, und Alexander blickte zur altvertrauten Kirche, sah, dass erstes zaghaftes Tageslicht graue Schatten auf die Bögen und Figuren, auf die zahlreichen Tierköpfe und Pflanzenornamente zauberte. Es schien als würde ihn der übergroße Erzengel Michael vom höchsten Punkt der Fassade zum Abschied grüßen. Er schluckte schwer, wusste er doch, dass er diesen Anblick viele Monate entbehren musste. Bernhard von Randegg spürte die Schwermut seines Mündels, und mit ruhiger Stimme begann er zu erzählen, so wie er es schon immer getan hatte, wenn sich das Gemüt seines Neffen in Aufruhr befand.
    »Sander …«, ganz bewusst wählte er den Kosenamen aus Kindertagen, und der Junge senkte sein Kinn zur Brust, sodass niemand seine feuchten Augen sehen konnte.
    »Sander, ich selbst bin den

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