Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
und sah Ulrich verständnislos an. Der war inzwischen aufgesprungen und schrie: »Wie kommt Ihr eigentlich auf so einen abwegigen Gedanken? Wie hätte ich, der Graf von Schaunberg, einen dermaßen abstoßenden Widerling zeugen sollen?« Heinrich wurde blass, doch unbeirrt fuhr der Schaunberger fort: »Seht ihn Euch doch an. Diese verwachsene Gestalt, der viel zu große Kopf, die schmalen Schultern, diese krallenförmigen Finger, und riecht ihr nicht den Gestank nach Fäulnis und Krankheit …« Beschwichtigend versuchte Finkenstein, dem fast schon rasenden Grafen Einhalt zu gebieten, doch Ulrich ließ sich nicht bremsen und schob den dürren Hofmeister mit einer einzigen Handbewegung zur Seite. »Und Ihr wagt es«, schrie er weiter, »mir diesen degenerierten Abschaum als meinen Sohn unterzuschieben?« Ganz ruhig antwortete Albrecht: »Ich wage gar nichts. Ich frage. Und ich frage erneut. Ist dieser Mann Euer Sohn, Graf Schaunberg?« Da durchbrach ein Schrei die Stille, und unter fast unmenschlichem Heulen stotterte Heinrich: »Ich bin dein Sohn, Vater, du weißt es doch, ich habe so lang gewartet!« Weinend ging er mit ausgebreiteten Armen auf den Grafen zu, der zornig zurückwich und entgegnete: »Ich habe keinen Sohn, du Unhold!« Da drehte sich Heinrich um und wandte sich hilfesuchend an Hofmeister Fichtenstein: »Aber Ihr, Ihr wisst doch, wer ich bin. Ihr wisst doch …«
»Ich weiß gar nichts«, entgegnete Fichtenstein mit einem ängstlichen Blick auf den Herzog. »Ach nein, auf einmal?«, parierte dieser voll Sarkasmus.
»Aber ich weiß etwas!«, brüllte da Heinrich mit fast überkippender Stimme, »ich weiß mehr als dir lieb sein wird. Also bin ich nun dein Sohn oder nicht? Soll ich schweigen oder reden, Vater?«
»Nenn mich nicht Vater«, schrie Ulrich zornentbrannt.
Unbeirrbar setzte Heinrich fort: »Soll ich davon sprechen, Vater, dass Ihr hinter dem habsburgischen Rücken ein Bündnis mit den Bayern eingegangen seid?« Ulrichs Kopf wurde um noch eine Nuance röter.
»Soll ich dem Herzog hier mitteilen, dass Ihr zwar offiziell dem im vorigen Jahr geschlossenen Waffenstillstand beipflichtet, ihr aber hinterrücks die österreichisch–bayrische Allianz sprengen wollt, gemeinsam mit den Herren von Rosenberg, soll ich, Vater?« Albrecht horchte auf, und ein eiskalter Blick traf den Grafen. Heinrich, den das Sprechen immer mehr anstrengte, weil es ihm wegen der Aufregung immer schwerer fiel, genug Luft zu bekommen, setzte mit rauer Stimme fort: »Soll ich, Vater, erzählen, dass Ihr die Sache mit Attersee und Frankenburg längst vor ein reichsfürstliches Schiedsgericht in Nürnberg gebracht habt und auf ein Urteil wartet?«
Wutentbrannt sprang Ulrich auf und wollte auf Heinrich losstürzen. Ein Blick des Herzogs genügte aber, und er setzte sich wieder schwer atmend auf den ihm zugewiesenen Stuhl. Er umklammerte die hölzernen Lehnen so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. »Habsburgergesindel«, zischte er.
Unbeirrt setzte Heinrich seinen Rachefeldzug fort, und nach Luft schnappend wandte er sich an Fichtenstein:
»Und Sie, Hofmeister, die Messer des Heiligen Bartholomäus, in der Kirche der Minderen Brüder, die Sie ja um jeden Preis haben wollten …«, mit der Kraft der Verzweiflung schleuderte er die Worte in den Raum und wurde sogleich von Fichtenstein unterbrochen.
»Ja wenn Ihr schon die Minderen Brüder erwähnt, dann muss ich hier leider sagen, dass wir es mit einem Mörder zu tun haben!« Triumphierend schaute er zum Grafen Schaunberg, und als ihm dieser kaum merklich zunickte, setzte der Hofmeister fort: »Dieser Mann hier hat nämlich einen Mönch auf dem Gewissen, einfach erwürgt und aus.« Heinrich schrie auf wie ein verwundetes Tier: »Aber das war doch Ihr Einfall, Sie wollten doch …«
»Nein, nein«, säuselte Fichtenstein, »Ihr Einfall war das mit Tirol, so war das, genauso.« Er sah wieder ängstlich zu Albrecht und meinte: »Ich hab gar nichts damit zu tun.«
Stille senkte sich über den Raum. Der Graf starrte wutentbrannt zu Heinrich, der wiederum blickte verständnislos zum Hofmeister, und Finkenstein selbst schaute intensiv auf sein schwarzes Schuhwerk. Mitten in der trügerischen Ruhe vernahmen die Anwesenden die glockenhelle Stimme von Beatrix, die spürte, dass jetzt ihre Stunde geschlagen hatte und bedachtsam ihre Worte wählte: »Wenn ich Sie recht verstanden habe, Graf Schaunberg, dann ist dieser Mann nun nicht mein Vetter?« Heinrich gab ein
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