Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
stapfte mit festen Schritten vorwärts, in Erwartung eines Donnerwetters in Form einer weiblichen Schimpftirade.
Ganz nahe in einem weitläufigen, etwas heruntergekommenen einstöckigen Holzbau unweit des Widmertores summte es zum Erstaunen Barthels schon wie in einem Bienenstock. Barthel blickte auf die bereits geöffneten Fensterläden und lächelte verschmitzt. Obwohl ihm der rechte obere Schneidezahn und der linke untere Eckzahn fehlten, war sein Grinsen freundlich und ansteckend. Dass zu solch früher Stunde bereits Wirbel aus den mit Häuten bespannten Fensteröffnungen drang, war bemerkenswert, ging es doch eher in den Abend- und Nachtstunden in diesem Haus heiß her. Schon die Erinnerung an manch ausschweifend und lustig verbrachten Feierabend machte das Grinsen des Winzerknechts noch breiter. Nur mit äußerster Anstrengung gab er seinem Drang, durch die Fenster zu spähen, nicht nach, zu sehr schmerzte ihm der Kopf, und zu groß war letztendlich die Angst vor Johanna. Zwischen Gezeter und Geschrei vernahm er deswegen nur im Vorübermarschieren das eine oder andere ungeduldige Wort, den einen und anderen deftigen Scherz und lachend vernahm er dann doch das Treiben im Inneren des wohlbekannten Hauses. Zu laut waren die Stimmen der Frauen.
»Gretlin, jetzt komm schon, binde mir hier hinten das Mieder fester zu«, presste ein dralles Mädchen mit hochrotem Kopf hervor.
»Das meinst du doch nicht ernst, Fronika? Je mehr Gretlin hinten zieht, desto mehr quillt da vorn wieder raus!« Damit zeigte ein Mädchen, das einer Bohnenstange glich, auf den großzügigen Ausschnitt der anderen.
Das allgemeine Gelächter der etwa ein Dutzend Frauen wirkte ansteckend. Ein junges, zwölfjähriges Mädchen kam schnell herbei, wischte sich eine blonde Haarsträhne aus der Stirn und fingerte geschickt am Mieder der Dickeren. Dabei lachte sie verschmitzt.
»Klar, bei dir, Trude, ist da keine Gefahr«, giftete Fronika und half Gretlin so gut es ging, indem sie den Stoff straffte und versuchte auszuatmen, »Wenn ich da vorn«, damit zeigte sie auf ihren eigenen wallenden Busen, »so wie du ausschauen tät – wie eine eingetretene Wirtshaustür nämlich – dann hätte ich die Sorgen auch net!«
Wieder lachten die umherlaufenden, Truhen auf und zu machenden Frauen und Mädchen. Irgendwie versuchten sie sich zurechtzumachen, sich herauszuputzen und sich gegenseitig neue Kleider anzumessen. Dabei zeigten sie ungeniert ihre intimsten Körperteile. Blank, wie Gott sie geschaffen hatte, vielleicht ein bisschen schmutziger als nötig, die Fingernägel mit schwarzem Rand, den Hals verdreckt, die Haare fettig und die Fußsohlen schwielig und schwarz. Da ein nacktes Gesäß, hier eine entblößte Brust, dabei schien keine der Damen etwas zu finden. Auch Gretlin kicherte und fühlte sich sichtlich wohl in diesem ganzen Durcheinander von verschiedensten Haarnadeln, rostigen Brennscheren, fadenscheinigen Unterröcken, Gürteln, die schon bessere Zeiten gesehen hatten, abgetretenen Schuhen. Das alles lag in einem schlampigen Haufen inmitten dieses niedrigen, schäbigen Raumes, der auf der einen Seite in die Wand eingelassene Sitzbänke und auf der anderen eine offene Feuerstelle hatte. Richtig fehl am Platz wirkte der neue blaue Stoff, aus dem die Kleider, die jede der Frauen jetzt schon mehr oder weniger am Leib hatte, geschneidert werden sollte. Hier lag der Teil eines Ärmels, dort eine Rockbahn, grob zusammengeheftet, dort die bereits gezogenen Rüschen für den Ausschnitt.
»Der Samt ist wunderschön, den euch der Herzog da geschenkt hat, ganz weich ist er.« Damit fuhr das Mädchen, dessen Wangen freudig gerötet waren, mit seinen schmalen Händen über die Stoffballen. »Ganze zehn Ellen für jede waren es und das nur, weil er heiraten wird.« Gretlin hatte das Mieder von Fronika endlich fest genug geschnürt und machte sich daran, der nächsten Frau, die ihre Hilfe benötigte, zur Hand zu gehen. Auf einem Bein hüpfend bewegte sie sich auf Elsbeth zu, die ihr Haar aufstecken lassen wollte.
»Na, Mädchen, du bist so fröhlich heute«, damit strich die Ältere Gretlin sanft über das helle Haar und musste schmerzlich erkennen, wie jung und unbeschwert die Kleine war, im Gegensatz zu ihr, die, 15 Jahre älter, schon verbraucht und alt aussah. »Ich hab dich schon lang nicht mehr so kichern gehört«, sagte sie liebevoll.
»Aber es ist ja ein so schöner Tag heute«, erzählte das Mädchen eifrig. »Herzog Albrecht hat uns diese
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