Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Roggenmehl waren. Mit einem ergebenen Seufzen besah sie sich den schlafenden Hund und verwünschte einmal mehr dieses Flohbündel in ihrer Küche. Alle ohne Ausnahme hatte das Vieh bereits um den Finger gewickelt, am besten und wärmsten Platz schnarchte sie mit dem Kopf auf Yrmels Pantoffeln. Aber mit ihr, Johanna, würde es das nicht geben, sie hasste Hunde und das war’s dann schon. Verstohlen musterte sie daraufhin das Mädchen, das ihr gleichsam vom Schicksal in ihre Küche geweht wurde. Mittlerweile hatte sie sich schon eingelebt und sich auch ein wenig von den grausigen Ereignissen erholt. Wie zu erwarten, hatten die Untersuchungen der Stadtwache nichts ergeben. Elsbeth war anscheinend Opfer eines gewalttätigen Freiers geworden. Wieder eine Dirne weniger und das war es auch schon, dachte Johanna verbittert und beobachtete weiter das Mädchen. Gretlins Zungenspitze schaute aus ihrem herzförmigen Mund, die Stirn zog das Mädchen kraus, so konzentrierte sie sich auf das Öffnen der Erbsenschoten. Verwundert dachte Johanna, mit welch einer Begeisterung die Kleine bei den einfachsten Arbeiten war, wie angestrengt und mit welcher Freude sie den unangenehmsten Aufgaben nachging. War die Aschelade zu entleeren, der ewig klebrige Holzboden zu reiben, nie entkam ihr auch nur ein Seufzer der Missbilligung. Fühlte sie sich hier in der kleinen Welt des Büßerinnenklosters wirklich so wohl? Oder war sie schlichtweg zu dumm oder zu unbedarft, um mehr zu wollen? Johanna walkte ihren Teig mit Inbrunst weiter. Das konnte doch nicht sein, nein, dämlich war sie nicht, die Kleine. Marlen war ein wenig einfältig, das schon. Wer, der alle Sinne beisammenhatte, plapperte denn als Nonne über Männer in einer so schamlosen Weise, dass allen Zuhörern die Wangen vor Verlegenheit brannten? Na ja, Marlen halt, dachte Johanna, hob ihren Teig eine Ellenlänge hoch, schleuderte ihn mit Wucht auf das Nudelbrett und warf ihn wieder hoch. Irritiert durch das ungewohnte Geräusch hielt Gretlin im Auslösen der Erbsen kurz inne, sah besorgt zu Johanna, lächelte doch gleich darauf, als sie erkannte, was hier so vehement geschlagen und gewalkt wurde. Johanna lächelte zurück, um gleich darauf wieder auf ihren Teig loszugehen. Da schlich sich ein ganz und gar unangenehmer Gedanke in ihren Kopf und sie wusste, dass sie dem gleich nachgehen musste, sonst würde sie die Vorstellung noch bis in den Abend hinein quälen. Irgendetwas stimmte hier nicht, dieses Mädchen, das sich so hilfsbereit und willig zeigte, vom Aussehen her wie ein Engel, blauäugig und blond, von zartem Körperbau, mit blasser, schöner Haut, mit gerader und anmutiger Statur. Irgendwo musste doch da etwas sein. Das konnte keine freie Tochter sein. Johanna wusste genau, was das Leben als Dirne mit den Mädchen anstellte. Fast konnte sie Dunkles und Böses mit den Fingern greifen, wenn sie an ihre eigene Jugend dachte und die unzähligen Leidensgenossinnen, an aufgeschlagene Lippen, Schrammen und Kratzer, Beulen am Kopf. Noch schlimmer waren die Verletzungen, die man nicht sah und von denen nur ein stumpfer Blick, Abgebrühtheit und unendliche Trauer in den Augen zeugten. Nein, dieses Geschöpf in ihrer Küche war keine Hübschlerin, aber was war sie sonst? Keinen Moment ließ sie sich vom engelsgleichen Aussehen täuschen. Stirnrunzelnd blickte Johanna auf und setzte leise, um sie nicht zu erschrecken, in Richtung des Mädchens an:
»Du, Gretlin.«
Versunken arbeitete das Mädchen weiter, Schote aufreißen, Erbsen herausholen, in die Schüssel kullern lassen, Schote wegwerfen, nächste Schote angeln. Nur Weinberl hob den Kopf und spitzte ihre halb geknickten, von zahlreichen Hundebalgereien ausgefransten Hundeohren. Abfällig schnaubte Johanna in die Richtung des Tieres: »Wer spricht mit dir, Dreckschleuder?« Gleichgültig legte Weinberl wieder den Kopf auf Yrmels rechten Fuß, was ihr sogleich ein paar Streicheleinheiten und ein undefinierbares, beruhigendes Brummen der Yrmel einbrachte. Johanna verdrehte in Anbetracht der tiefen Vertrautheit der Stummen mit diesem blöden Viech, wie sie es bei sich nannte, entnervt die Augen.
Etwas lauter setzte sie wieder an: »Du, Gretlin.« Jetzt hatte das Mädchen sie gehört und wandte sich ihr voller Aufmerksamkeit und mit so spontanem, fast kindlichem Vertrauen zu, dass es Johanna ganz eng in ihrer doch ziemlich ausladenden Brust wurde. »Also, was ich dich schon länger fragen wollte«, damit warf sie den Teig wieder mit
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