Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
nahe genug, das wusste sie, denn sie kannte die Meisterin in- und auswendig. Gierig würde sie sich auf den neuen Essig stürzen und im Geiste bereits den Gewinn zählen, aber unweigerlich würde die Frage kommen: »Und was hat das mit dem Mädel zu tun? Was gedenkst du zu tun, Johanna?« Hannerl hörte die krächzende Stimme Cäcilies in ihrem Kopf, wie wenn sie direkt neben ihr stehen würde. Ärgerlich klopfte sie weiterhin den Teig, natürlich sollte sie sich um alles kümmern. Entweder sie schaffte es, Gretlin als unverzichtbaren Teil des Mailufterls darzustellen, oder das Mädchen wurde bei nächstbester Gelegenheit aus dem Kloster weggeschickt. Am besten, sie nahm es gleich in Angriff, der Lösung dieser schwierigen Angelegenheit näherzukommen. Unangenehme Dinge auf die lange Bank zu schieben, war nicht die Art Johannas.
»Du, Gretlin«, begann sie daher gleich, obwohl ein wenig zaudernd, »gibt es eigentlich irgendetwas, das du besonders gut kannst?«
Überrascht blickte das Mädchen auf, das zusammengekauert bei Weinberl saß und der Hündin den schlammverkrusteten Bauch massierte. Mit gerümpfter Nase betrachtete Johanna das Bild, und als sie zu Yrmel blickte, sah sie deren alarmierten angstvollen Blick. Schulterzuckend und scheinbar harmlos fuhr sie fort: »Na weißt du, es ist deshalb, Mädchen: Im Büßerinnenkloster hat jede Frau ihre Aufgabe. Natürlich neben den Kirchgängen und den Gebeten.« Selbstgefällig nickte Johanna.
»Warum gehst du nicht auch in die Kapelle und betest, Johanna?«, fragte Gretlin unschuldig und wusste dabei gar nicht, dass sie damit den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
Kurz sah Johanna zu Yrmel, die plötzlich ganz vertieft und abwesend ihren Salbei zerpflückte.
»Weißt du, bei mir ist das ein bisschen anders. Ich bin ja die meiste Zeit in der Küche und hab immer so viel zu tun. Irgendjemand«, damit hüstelte Johanna etwas verlegen und sah verstohlen zu Yrmel, die weiterhin unbeteiligt ihre Kräuter zupfte, »also irgendjemand muss ja schauen, dass alles in Ordnung ist.«
»Kann ich das denn nicht auch, in der Küche bleiben und dir helfen, zu schauen, dass alles in Ordnung ist, Johanna?« Unschuldig schlug Gretlin ihre blauen Augen nieder, um gleich darauf zu Johanna hochzublicken und sie bittend anzusehen. Wenn sie nicht genau wüsste, dass Gretlin ein unerfahrenes kleines Ding war, könnte sie fast annehmen, sie wäre so ausgekocht, wie die Hühnermamsell am Petersmarkt. Die, die einen immer mit den Innereien betrügen wollte und statt der ganzen nur die halbe Leber in das ausgenommene Hendl steckte.
»Da hat die Meisterin noch ein Wörtchen mitzureden, Gretlin«, meinte sie jetzt ein wenig schärfer, »und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mir neben Marlen und Yrmel noch eine Küchenhilfe zubilligt.« Erschrocken ließ das Mädchen den Köter sein, sprang flink auf die Beine und wimmerte: »Was wird aus mir, Johanna, was kann die Meisterin denn sonst mit mir anstellen, ich will nicht weg, ich will nicht zurück zur Laimgrube, ich …«
»Das weiß ich auch«, unterbrach Johanna sie forsch, »umso wichtiger ist es, dass wir uns etwas einfallen lassen. Also denk nach und sag mir einfach, was du besonders gut kannst! Irgendwas wird es doch in Dreikönigsnamen geben, was du zusammenbringst!«
Angstvoll und mit rotem Kopf dachte Gretlin nach, nervös knetete sie dabei ihre Finger, fuhr sich dazwischen mit den Händen durch das Blondhaar, nestelte am Gürtel ihres Kittels und bot alles in allem einen höchst erbärmlichen Anblick. Weder Johanna und schon gar nicht Yrmel konnten sich diesem Gefühl von Hoffnungslosigkeit entziehen, und Johanna setzte barscher als beabsichtigt fort: »Bei uns teilen sich die Frauen die Arbeit. Die einen waschen die Wäsche, zwei betreuen den Küchengarten gleich hinter der Pforte, eine schmückt die Kapelle, ein paar von uns haben auch ihre kleinen Bälger zu versorgen, wie du sicher schon mitbekommen hast, und die meisten von uns«, hier bekam ihre Stimme einen stolzen Unterton, »sind mit der Herstellung von meinem Essig beschäftigt. Obst und Gemüse waschen, putzen und in Stücke schneiden. Den Sud bereiten, Kräuter und Gewürze zerkleinern …«
Johanna blickte zu Gretlin, die weiterhin schweigend und ängstlich in der Klosterküche stand und sich mittlerweile auf die Unterlippe biss. Wohl, um nicht in Tränen auszubrechen, vermutete Johanna und fuhr versöhnlicher fort: »Aber wenn du nicht kochen oder gärtnern
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