Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Passau hat einen Boten geschickt, er wartet bereits vor dem Riesentor.« Mit tiefen Verbeugungen war Hofkämmerer Michael Hirssmann zaghaft in Albrechts Kemenate gekommen und entfernte sich schnell wieder, ohne eine Antwort abzuwarten. Der Herzog, der mit dem Umlegen seines grau-roten Wamses beschäftigt war, das an den überbreiten Ärmel geschlitzt war und ein dunkles Untergewand hervorschimmern ließ, blickte auf und hob verärgert die Augenbrauen. Nicht so sehr über den Kämmerer, seine schlechten Manieren war er inzwischen gewohnt, vielmehr über den Passauer. Warum musste sich dieser vor der Domkirche aufpflanzen, dachte er verbittert und gab einem Diener Anweisung, ihm den rotsamtenen, mit weißem Hermelin eingefassten Herzogshut vom vorbereiteten Kissen zu reichen und ihm beim Aufsetzen behilflich zu sein. Ausgerechnet Sankt Stephan, dachte er weiter und seufzte. War das Erbe seines Bruders Rudolf nicht schon schwer genug zu tragen? Hatte er nicht schon übermenschliche Geduld beweisen müssen, bis der Luxemburger Kaiser Karl endlich vor neun Jahren Reichslehen und Privilegien bestätigte, damit Albrecht und sein Bruder Leopold das Erbe antreten konnten? Glich es nicht schon einem Wunder, dass er im selben Jahr auch die militärischen Zwiste mit dem Patriachat von Aquileia beilegen konnte, und dieser Bernhard von Randegg sich als fähig und kaisertreu erwiesen hatte? Albrecht kniff die Augen zusammen und sah aus dem Spitzbogenfenster hinaus auf den Burgplatz. Warum, dachte er, war es dann so schwierig, die Passauer Pfaffen aus der Stadt zu treiben und endlich, endlich ein Wiener Bistum zu errichten? Schon Bruder Rudolf war gescheitert und hatte trotz enormer Anstrengungen keine theologische Fakultät in seiner Universität einrichten dürfen. In Gedanken versunken sah der Herzog hinaus auf die Allerheiligenkapelle seiner Burg. Ein kleiner Triumph war Rudolf doch beschieden, sinnierte er, er durfte diese Kapelle mit Genehmigung des Papstes errichten und hatte die Erlaubnis, sie mit einem Kollegiatskapitel, das direkt dem Heiligen Stuhl unterstellt war, auszustatten. Wie klug Rudolf war, lächelte Albrecht, wie gerissen, als er dann vorgab, die Kapelle wäre zu klein, und gleich um Erlaubnis bat, das Kollegiat in die Pfarrkirche Sankt Stephan verlegen zu dürfen! Das war ja der ursprüngliche Plan gewesen! Sein Bruder Rudolf, dessen Umgang zwar schwierig und dessen Persönlichkeit eitel und machtbesessen war! Aber wie zielstrebig und verbissen, wie beharrlich und unbeirrbar er Wien als Residenzstadt ausbauen wollte, nach dem Vorbild Prags, jener Stadt, der sein Schwiegervater Kaiser Karl zu Macht und Bedeutung verhalf. Und dieses Erbe, diese Aufgabe wollte Albrecht erfüllen, er stellte sich der Verantwortung. Wenn er schon mit dem Kaiser auskam, Aquileia beruhigt unter Randeggs Führung wusste und seinen Bruder Leopold weiter in seine Schranken wies, dann sollte er auch den Passauer beherrschen können! Albrecht atmete tief ein, richtete sich auf und blickte weiter in den Burghof. Natürlich waren der Probst, die zwei Dutzend Chorherren und ebenso viele Kapläne ein Dorn im Auge des Passauer Bischofs, weil dieses Stephans-Kollegiat nun einmal nicht seiner Gewalt unterstand! Deswegen suchte er auch immer die Konfrontation mit Albrecht, er wollte den Herzog davon abhalten, Sankt Stephan als seine Pfalz-und Hofkirche zu betrachten, als religiösen Mittelpunkt seines Landesfürstentums. Aber vielleicht änderte die Heirat mit Beatrix von Zollern ja die Situation. Vielleicht scheute der Bischof jetzt eine direkte Konfrontation, weil er die Macht des Schwiegervaters Friedrich, des Burggrafen von Nürnberg fürchtete. Nun, zu hoffen war es allemal, denn Widersacher gab es für Albrecht genug, schon ohne den Passauer, der ihm die Bedeutung seiner eigenen Residenz schmälern wollte, hatte er alle Hände voll zu tun. Nachdem sich Freiburg nach schwierigen Auseinandersetzungen endlich für Österreich entschieden hatte, hatte Albrecht massive Probleme im Süden mit der Markusrepublik. Außerdem spürte er Verschwörungen in seiner unmittelbaren Nähe oder täuschte er sich? Waren die böhmischen Herren von Rosenberg nicht ein wenig zu freundlich mit Ulrich von Schaunberg umgegangen? War eine fast körperlich spürbare Abneigung der Herren von Wallsee gegen die beiden nicht beim Festmahl zu bemerken gewesen? Betrübt schüttelte Albrecht den Kopf, vergewisserte sich noch einmal, dass sein Aufzug einer öffentlichen
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