Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Zurschaustellung der herzoglichen Macht gerecht wurde und verließ seine Kemenate. Wie froh war er, dieser Stadt für ein paar Wochen den Rücken kehren zu können und auf Preußenreise zu gehen! Dieser aufwändige Kreuzzug gegen die heidnischen Litauer war in seinen Kreisen zu einer beliebten Tradition geworden. Höhepunkt dieses Kampfes gegen die Ungläubigen war der Ritterschlag auf heidnischem Gebiet. Hatte sein Bruder Leopold bereits vor vier Jahren das Vergnügen dieser Reise gehabt, so war es jetzt an Albrecht, Macht, Stärke und ritterliche Tugenden zu beweisen, den zehn tapfersten Rittern einen Ehrensold zu übergeben und selbst von Hermann von Cilli, dem vornehmsten des Zuges, den Ritterschlag zu empfangen. Dass die Heldentaten darin bestanden, Bauerndörfer niederzubrennen und Heiden, die eigentlich gar keine waren, abzuschlachten, das kümmerte den Herzog wenig. Es belastete ihn auch nicht im Geringsten, dass diese Repräsentationsreise Unsummen an finanziellen Mitteln verschlang. Hatte er nicht die Finanzverwaltung seit vier Jahren in die Hände des erfahrenen Hofmeisters Johann von Fichtenstein gelegt? Nun, der würde schon wissen, wie man Geld lockermachte! Nur eines ging ihm im Kopf herum: Er brauchte für seine Reise noch repräsentatives Personal, einen Schreiber, der seine Heldentaten dokumentieren würde, besser noch einen Sänger, der sie auch besingen konnte. War da nicht dieser Hugo von Montfort, den ihm Hermann von Cilli genannt hatte und der wiederum die Bekanntschaft eines Wolkenbergs gemacht hatte? Hatte der sich nicht blumenreich über das große Können des noch so jungen Knappen geäußert? Grübelnd erreichte Albrecht den Burghof. Er würde Befehl geben, ihm dieses Talent vorzustellen, vielleicht hatte er ja Verwendung für den Knaben. Kurz nickte er seiner Angetrauten zu, die ihrerseits mit ihrem Gefolge bereits neben dem Brunnen wartete. Beatrix freute sich, mit ihrem Vater nach Nürnberg reisen und sich von Wien für eine Weile verabschieden zu dürfen. Obwohl sie die Schönheit der Stadt schätzte, musste sie noch viel lernen, um mit den Ränken und Verleumdungen, die am Hof gang und gäbe waren, zurechtzukommen. Sie rückte ihre reiche Haube, die sie ja erst seit wenigen Stunden tragen durfte und an die sich erst gewöhnen musste, zurecht, nestelte an ihrem mit kleinen Emailleplättchen verzierten Gürtel, nahm die Zügel ihres Pferdes und reihte sich ein wenig verlegen zur Rechten ihres Mannes, des Herzogs, ein. Ihr Vater, der Burggraf, hatte inzwischen schon hinter Albrecht Stellung bezogen und nickte ihr, als sie vorbeiritt, aufmunternd zu. Friedrich von Nürnberg beugte sich im Sattel nach vorn und raunte seinem Schwiegersohn zu: »Wo geht es jetzt hin, mein Sohn, ich nehme an, nach Sankt Stephan?«
»Sehr wohl, Vater«, flüsterte der Herzog, sodass nur seine Frau und der Angesprochene die Worte vernehmen konnten. »Wir werden schon erwartet, vor dem Riesentor.«
»Ich kann mir denken, von wem«, antwortete der Burggraf und dachte eine Weile nach. Dann meinte er scharfzüngig: »Ich würde vorschlagen, wir selbst werden den richtigen Ort der Zusammenkunft bestimmen …«
»Woran denkst du genau?«, fragte Albrecht.
»Nicht an das Riesentor, wo die Apostel den Eingang bewachen, ich denke an das Singertor, dort fühle ich mich – wie soll ich sagen – heimischer und verstandener!« Schelmisch grinste der Burggraf.
»Guter Gedanke, das würde mir auch besser gefallen!« Albrecht lächelte ebenfalls und wies die Trompeter an, die Fanfaren zu blasen und dem Zug damit das Zeichen für den Aufbruch zu geben.
Beatrix, die stumm zugehört hatte, verstand überhaupt nichts. Aber wie sollte sie auch! Sie war noch nicht Wienerin genug, um zu wissen, dass neben dem Singertor, einem Eingang, der den Chorknaben und Sängern vorbehalten war, ihr verstorbener Schwager, niemand geringerer als Rudolf der Stifter, sich selbst und seine Frau Katharina mit Schutzmänteln darstellen ließ. Die Begegnung mit dem Bischof von Passau würde daher sehr kurz ausfallen, auch das konnte Beatrix nicht erahnen, denn wer würde sich gern länger als nötig unter dem Schutzmantel seines größten Feindes aufhalten?
*
»Kind, tu mir einen Gefallen und glotz nicht so durch die Gegend.« Johanna wischte sich genervt über das fleischige Kinn und kontrollierte, ob ihre Büßerinnenhaube richtig saß und sich nur ja keine Strähne ihres hellen Haares durchschwindelte und strich sich zum wiederholten
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