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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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versprochen, mit ihr zu plaudern, wenn ihr der Sinn danach stünde? Bot sich jetzt nicht die Gelegenheit, ihn auszufragen und die ganze Vergangenheit kennenzulernen? Und sie fühlte sich von einem unwiderstehlichen Verlangen getrieben: jetzt, da sie ihren Abstieg begonnen hatte, mußte sie bis auf den Grund vordringen. Das allein war tapfer, ihrer würdig und allen von Nutzen.
    Aber ein solches Verhör war ihr zuwider, sie wählte einen Umweg und gab sich den Anschein, das Gespräch abbrechen zu wollen.
    »Ich schulde Ihnen immer noch zweitausend Francs«, sagte sie. »Sind Sie mir auch nicht allzu böse, wenn ich Sie warten lasse?«
    Mit einer Gebärde deutete er an, daß er ihr so viel Zeit lassen werde, wie sie wolle. Dann versetzte er plötzlich:
    »Apropos, was macht denn mein kleiner Bruder, dieses kleine Monstrum?«
    »Er bringt mich zur Verzweiflung, ich habe Ihrem Vater noch nichts gesagt … Ich möchte das arme Wesen so gern ein wenig vom Schmutz reinigen, damit man es liebhaben kann!«
    Ein Auflachen Maximes beunruhigte sie, und als sie ihn mit den Augen befragte, sagte er:
    »Oh, ich bin sicher, Sie nehmen auch da eine sehr unnütze Sorge auf sich. Papa wird diese ganze Mühe kaum begreifen … Er hat genug Ärger mit der Familie gehabt!«
    Sie schaute ihn immer noch an: er war so korrekt in seinem egoistischen Genießen des Lebens, so gründlich enttäuscht von den menschlichen Bindungen, selbst wenn die Lust sie geschaffen hat. Er hatte gelächelt und für sich allein die in seinem letzten Satz versteckte Bosheit ausgekostet. Und sie war sich bewußt, daß sie an das Geheimnis dieser beiden Männer rührte.
    »Sie haben Ihre Mutter früh verloren?«
    »Ja, ich habe sie kaum gekannt … Ich war noch in Plassans auf dem Gymnasium, als sie hier in Paris gestorben ist … Unser Onkel, der Doktor Pascal, hat meine Schwester Clotilde bei sich behalten, die ich nur ein einziges Mal wiedergesehen habe.«
    »Aber Ihr Vater hat wieder geheiratet?«
    Er zögerte. Seine so klaren, so leeren Augen hatte ein leichter rötlicher Schleier getrübt.
    »O ja, doch, er hat wieder geheiratet … Die Tochter eines Justizbeamten, eine Béraud du Châtel … Renée war keine Mutter für mich, eher eine gute Freundin …«
    Dann nahm er mit einer vertraulichen Bewegung neben ihr Platz.
    »Sehen Sie, man muß Papa verstehen. Mein Gott, er ist nicht schlimmer als die anderen. Aber seine Kinder, seine Frauen, alles, was um ihn herum ist, kommt für ihn erst nach dem Geld … Oh, verstehen wir uns recht, er liebt das Geld nicht wie ein Geizhals, der einen großen Haufen davon haben und in seinem Keller verstecken will. Nein! Wenn es nach seinem Willen überall hervorsprudeln soll, wenn er es aus jedweder Quelle schöpft, so weil er sehen möchte, wie es ihm in Strömen zufließt, und wegen all der Genüsse, die es ihm verschafft: Luxus, Vergnügen, Macht … Was wollen Sie? Das liegt ihm so im Blut. Er würde uns verkaufen, Sie, mich, sonstwen, wenn wir einen Marktwert hätten. Und er täte das ganz unbekümmert, der große Mann, der ja wahrhaftig der Dichter der Millionen ist: so verrückt macht ihn das Geld und läßt ihn zum Schurken werden, zum Schurken größten Stils!«
    Genau das hatte auch Frau Caroline begriffen, und sie nickte mit dem Kopf, während sie Maxime zuhörte. Ach, das Geld, dieses fäulniserregende, vergiftende Geld, das die Seelen ausdörrte und sie der Güte, der Zärtlichkeit und der Nächstenliebe beraubte! Das Geld allein war der große Schuldige, der Kuppler aller Grausamkeit und Gemeinheit unter den Menschen. In diesem Augenblick verfluchte sie es und verabscheute es, ihre frauliche Würde und Redlichkeit lehnte sich empört dagegen auf. Mit einer Handbewegung hätte sie alles Geld der Welt vernichten wollen, wenn ihr die Macht dazu gegeben wäre, so wie man das Übel mit dem Absatz zertreten möchte, um die Gesundheit auf Erden zu retten.
    »Ihr Vater hat also wieder geheiratet«, wiederholte sie nach einer Pause langsam und verlegen, und wirre Erinnerungen wurden in ihr wach.
    Wer hatte doch nur in ihrem Beisein auf diese Geschichte angespielt? Sie hätte es nicht sagen können: zweifellos eine Frau, irgendeine Freundin, in der ersten Zeit, als sie die Wohnung in der Rue Saint-Lazare genommen hatte und im ersten Stockwerk der neue Mieter einzog. Ging es da nicht um eine Geldheirat, um irgendeinen schändlichen Handel? Und war nicht später in aller Ruhe das Verbrechen in die Ehe getreten, wurde

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