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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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in dem der jahrhundertealte Haß der Nebenbuhlerinnen loderte dank jener Gleichheit, die zwischen Herzoginnen und Kuhmägden besteht, wenn sie kein Hemd mehr anhaben.
    Aber auch Saccard hatte Clarisse gesehen. Rasch kleidete er sich fertig an, zog seine Weste über und schleuderte Delcambre abermals eine Beleidigung ins Gesicht, fuhr in den linken Ärmel seines Gehrocks und schrie eine andere, fuhr in den rechten Ärmel und fand weitere Beschimpfungen, immer wieder neue, kübelweise, ohne nachzudenken. Dann rief er ganz plötzlich, um ein Ende zu machen:
    »Clarisse, kommen Sie doch! … öffnen Sie die Türen, öffnen Sie die Fenster, damit das ganze Haus und die ganze Straße es hören können … Der Herr Generalstaatsanwalt möchte, daß alle Welt erfährt, er ist hier, und ich, ich werde ihn gleich bekannt machen!«
    Erbleichend wich Delcambre zurück, als er sah, wie Saccard zu einem der Fenster ging, als wollte er den Riegel zurückschieben. Dieser schreckliche Mann, der den Skandal nicht fürchtete, war sehr wohl fähig, seine Drohung in die Tat umzusetzen.
    »Oh, so ein Pack, so ein Lumpenpack!« murmelte der Justizbeamte. »Das paßt zusammen, Sie und diese Hure. Und ich lasse sie Ihnen …«
    »In Ordnung, hauen Sie ab! Sie werden hier nicht gebraucht. Wenigstens werden jetzt ihre Rechnungen bezahlt, und die Baronin muß nicht mehr jammern … Aber warten Sie, hier sind noch sechs Sous, für den Omnibus!«
    Unter dem Eindruck dieser Beleidigung blieb Delcambre auf der Schwelle zum Ankleideraum einen Augenblick stehen. Er hatte wieder seine hohe, magere Gestalt, sein bleiches, von strengen Falten durchfurchtes Gesicht. Er hob den Arm und leistete einen Eid.
    »Ich schwöre Ihnen, dafür werden Sie mir bezahlen … Oh, ich werde Sie zu finden wissen, hüten Sie sich!«
    Dann verschwand er. Hinter ihm hörte man das Rascheln eines Rockes: das Stubenmädchen, das eine Auseinandersetzung fürchtete, machte sich aus dem Staub, in bester Stimmung bei dem Gedanken an den gelungenen Streich.
    Saccard, den es noch schüttelte, ging stampfend die Türen schließen und kehrte in das Zimmer zurück, wo die Baronin noch immer wie angewurzelt auf ihrem Stuhl saß. Er lief in großen Schritten hin und her, stieß ein glühendes Holzscheit in den Kamin zurück, das herausgefallen war, und sah jetzt erst die Baronin, wie sie so seltsam dahockte und mit diesem Unterrock um die Schultern sich notdürftig bedeckte. Er war sehr darauf bedacht, Anstand zu wahren.
    »Ziehen Sie sich doch an, meine Liebe … Und regen Sie sich nicht auf. Das ist eine dumme Geschichte, aber das macht nichts, überhaupt nichts … Übermorgen sehen wir uns hier wieder und besprechen alles, nicht wahr? Ich muß mich jetzt sputen, ich habe eine Verabredung mit Huret.«
    Und als sie sich endlich ihr Hemd überstreifte und er schon im Gehen war, rief er ihr aus dem Vorzimmer noch zu:
    »Vor allem keine Dummheiten, wenn Sie italienische Papiere kaufen! Nehmen Sie sie nur mit Prämie.«
    Zur gleichen Stunde hatte Frau Caroline den Kopf auf ihren Arbeitstisch sinken lassen und schluchzte. Die rohe Auskunft des Kutschers, dieser Verrat Saccards, den sie hinfort nicht mehr übersehen konnte, wühlten in ihr allen Argwohn und alle Ängste auf, die sie in sich hatte begraben wollen. Sie hatte sich in bezug auf die Geschäfte der Banque Universelle zur Ruhe und zur Hoffnung gezwungen und war in der Verblendung ihrer Liebe mitschuldig geworden an allem, was man ihr nicht sagte und was sie nicht in Erfahrung zu bringen suchte. Daher hatte sie jetzt heftige Gewissensbisse und machte sich Vorwürfe, daß sie ihrem Bruder anläßlich der letzten Generalversammlung einen beruhigenden Brief geschrieben hatte; denn seitdem ihr die Eifersucht erneut Augen und Ohren öffnete, wußte sie es: die Unregelmäßigkeiten gingen weiter, nahmen unaufhörlich größere Ausmaße an. So war das Konto Sabatani angewachsen, die Gesellschaft spekulierte immer mehr unter dem Deckmantel dieses Strohmannes, ganz zu schweigen von der übertriebenen, verlogenen Reklame, von den Gründungen aus Sand und Schlamm, auf denen man das riesenhafte Unternehmen errichtete. Sein rascher Aufstieg, der gleichsam ein Wunder zu sein schien, erschreckte Frau Caroline mehr, als daß sie sich darüber freute. Vor allem aber ängstigte sie das schreckliche Tempo, dieser anhaltende Galopp, zu dem man die Banque Universelle antrieb wie eine  überheizte Maschine, die auf Schienen des Teufels dahinrast, bis

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