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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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nach verzweifeltem Warten eines der Geschäfte, die ihnen so sehr am Herzen lagen, glücklich in Gang. Drei Jahre lang hatte die Méchain das Pflaster auf der Suche nach Léonie Cron abgeklappert, jenem verführten Mädchen, dem der Graf de Beauvilliers einen Schuldschein über zehntausend Francs, zahlbar am Tage ihrer Volljährigkeit, ausgestellt hatte. Vergeblich hatte sie sich an ihren Vetter Fayeux gewandt, den Kuponeinnehmer aus Vendôme, der für Busch den Schuldschein mit einem Posten alter Schuldforderungen aus dem Nachlaß des Herrn Charpier, eines Getreidehändlers und gelegentlichen Wucherers, aufgekauft hatte: Fayeux wußte nichts und schrieb bloß, daß das Mädchen Léonie Cron bei einem Pariser Gerichtsvollzieher in Stellung sein müsse, daß sie vor mehr als zehn Jahren aus Vendôme weggegangen und nie dorthin zurückgekehrt sei; er habe auch keinen einzigen ihrer Verwandten befragen können, da alle gestorben waren. Die Méchain hatte zwar den Gerichtsvollzieher ausfindig gemacht, und es war ihr auch gelungen, Léonie von dort bis zu einem Metzger, einer Halbweltdame und einem Zahnarzt zu verfolgen; aber bei dem Zahnarzt riß der Faden plötzlich ab, die Spur hörte auf: wie sollte sie ein gefallenes Mädchen finden, das im Sumpf der großen Stadt Paris verlorengegangen war wie eine Nadel im Heuhaufen? Ohne Ergebnis war sie die Stellenvermittlungsbüros abgelaufen, hatte die verrufenen Pensionen aufgesucht, in den Lasterhöhlen herumgestöbert, hatte immer auf der Lauer gelegen, den Kopf gedreht und gefragt, sobald ihr der Name Léonie zu Ohren kam. Dieses Mädchen, das sie allerorts gesucht hatte, war ihr nun zufällig an diesem Tag ganz in der Nähe in der Rue Feydeau im Bordell in die Hände gefallen, als sie dort eine ehemalige Mieterin aus der Cité de Naples aufstöberte, die ihr drei Francs schuldig war. Durch einen genialen Geistesblitz hatte sie sie gewittert und in dem Augenblick erkannt, da Madame sie unter dem vornehmen Namen Léonide mit schriller Stimme in den Salon rief. Sogleich begab sich Busch, den die Méchain benachrichtigt hatte, mit ihr in das Haus, um zu verhandeln. Diese dicke Dirne mit dem strähnigen schwarzen Haar, das ihr bis auf die Brauen fiel, und mit dem ausdruckslosen, schlaffen Gesicht von abstoßender Gemeinheit überraschte ihn zunächst; dann aber wurde er sich des besonderen Reizes bewußt, den sie, zumal vor zehn Jahren, vor ihrem Leben der Prostitution, gehabt haben mußte; im übrigen war er entzückt, daß sie so schrecklich tief gesunken war. Er bot ihr tausend Francs, falls sie ihm ihre Rechte auf den Schuldschein überließ. Und sie war einfältig genug, um mit kindlicher Freude auf den Handel einzugehen. Endlich konnte man nun die Gräfin Beauvilliers in die Enge treiben, man besaß die gesuchte Waffe von unverhoffter Häßlichkeit und Schande!
    »Ich habe Sie erwartet, Herr Saccard, wir haben miteinander zu reden … Meinen Brief haben Sie bekommen, nicht wahr?«
    In dem engen, mit Akten vollgepfropften und schon dunklen Zimmer, das von einer kümmerlichen Lampe mit rauchigem Licht erhellt wurde, saß die Méchain noch immer unbeweglich und stumm auf dem einzigen Stuhl. Saccard, der nicht den Anschein erwecken wollte, als wäre er auf eine Drohung hin gekommen, war stehen geblieben und schnitt sofort mit harter, verächtlicher Stimme den Fall Jordan an.
    »Verzeihung, ich bin heraufgekommen, um die Schuld eines meiner Redakteure zu begleichen … Der kleine Jordan, ein sehr netter junger Mann, den Sie mit glühenden Eisen verfolgen, mit wirklich empörender Grausamkeit … Heute morgen noch, so scheint es, haben Sie sich seiner Frau gegenüber benommen, daß ein Kavalier erröten müßte.«
    Verblüfft darüber, daß er so angegriffen wurde, als er sich anschickte, die Offensive zu übernehmen, verlor Busch den Boden unter den Füßen, vergaß die andere Geschichte und geriet über den Fall Jordan in Zorn.
    »Die Jordans, wegen der Jordans kommen Sie also … In geschäftlichen Dingen gibt es keine Frau und keinen Kavalier. Wenn man Schulden hat, zahlt man, etwas anderes kenne ich nicht … Ein Lumpenpack, das sich seit zwei Jahren über mich lustig macht! Mit Mühe und Not habe ich vierhundert Francs aus ihnen herausgeholt, Sou für Sou. Zum Donnerwetter, ja! Ich werde sie pfänden lassen, ich setze sie morgen früh auf die Straße, wenn nicht heute abend hier auf meinem Schreibtisch die dreihundertdreißig Francs und fünfzehn Centimes liegen, die sie

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