Das Geld - 18
fragte Saccard, immer noch scherzend.
»In der Theorie, ganz recht!« antwortete Sigismond. »Alles, was ich Ihnen einmal erklärt habe, den ganzen Lauf der Entwicklung finden Sie darin. Bleibt nur noch, ihn in die Tat umzusetzen … Sie sind blind, wenn Sie nicht die beachtlichen Fortschritte sehen, die die Idee von Stunde zu Stunde macht. Zum Beispiel scheinen Sie, der Sie in drei Jahren mit Ihrer Banque Universelle Hunderte von Millionen in Bewegung gebracht und zentralisiert haben, überhaupt nicht zu ahnen, daß Sie uns geradewegs zum Kollektivismus führen … Von dieser abgelegenen, stillen Kammer aus habe ich Ihr Unternehmen leidenschaftlich verfolgt, jawohl, ich habe seine Entwicklung Tag für Tag beobachtet, ich kenne es ebensogut wie Sie, und ich sage, daß Sie uns da eine ausgezeichnete Lehre erteilen, denn der kollektivistische Staat braucht nur zu tun, was Sie getan haben, nämlich Sie in Bausch und Bogen zu expropriieren, nachdem Sie die Kleinen einzeln expropriiert haben; er braucht nur Ihren ehrgeizigen, maßlosen Traum zu verwirklichen, der, nicht wahr, darin besteht, alle Kapitalien der Welt zu schlucken, die einzige Bank, das allgemeine Lagerhaus des öffentlichen Vermögens zu werden … Oh, ich bewundere Sie sehr, ich würde Sie gewähren lassen, wenn ich der Meister wäre, weil Sie unsere Arbeit als genialer Wegbereiter beginnen.«
Und er lächelte das matte Lächeln eines Kranken, als er die Aufmerksamkeit seines Gesprächspartners bemerkte, der sehr überrascht war, ihn so auf dem laufenden zu sehen über die täglichen Geschäfte, und der sich durch sein kluges Lob auch sehr geschmeichelt fühlte.
»Bloß«, fuhr er fort, »an dem schönen Morgen, da wir Sie im Namen der Nation expropriieren, Ihre Privatinteressen durch das Gemeinwohl ersetzen und aus Ihrer großen Maschine, die das Gold der anderen schluckt, den Regulator für den gesellschaftlichen Reichtum machen, beginnen wir damit, das abzuschaffen.«
Er hatte zwischen den Papieren auf seinem Tisch einen Sou gefunden und hielt ihn als das erwählte Opfer zwischen den Fingern in die Höhe.
»Das Geld«, rief Saccard, »das Geld abschaffen! Der helle Wahnsinn!«
»Wir werden das Münzgeld abschaffen … Bedenken Sie doch, das Hartgeld hat keinen Platz, keine Daseinsberechtigung im kollektivistischen Staat. Als Entgelt ersetzen wir es durch unsere Arbeitsgutscheine; und wenn Sie das Geld als Wertmaßstab ansehen, so haben wir dafür einen anderen, der uns ein vollgültiger Ersatz ist und den wir erhalten, indem wir die durchschnittliche tägliche Arbeitsleistung an unseren Arbeitsplätzen ermitteln … Dieses Geld hier muß vernichtet werden, denn es verschleiert und begünstigt die Ausbeutung des Arbeiters und gestattet, ihn zu bestehlen und seinen Lohn auf den kleinsten Betrag zu senken, den er braucht, um nicht zu verhungern. Ist das nicht etwas Entsetzliches, dieser Besitz an Geld, der die Privatvermögen anhäuft, der fruchtbaren Zirkulation den Weg versperrt und skandalöse Königtümer schafft, die den Geldmarkt und die gesellschaftliche Produktion unumschränkt beherrschen? Alle unsere Krisen, unsere ganze Anarchie hat darin ihren Ursprung … Man muß das Geld töten, ja, töten!«
Aber Saccard wurde ärgerlich. Kein Geld mehr, kein Gold mehr, keines dieser strahlenden Gestirne mehr, die sein Leben erleuchtet hatten! Immer war Reichtum für ihn in diesem blendenden Glanz neuen Geldes verkörpert gewesen, das wie ein Frühlingsschauer bei Sonnenschein vom Himmel regnet, als Hagel auf die Erde schlägt und sie mit Bergen von Silber und Gold bedeckt, die man scheffeln konnte, aus Freude an ihrem Glanz und an ihrem Klang. Und diese Freude, diesen Grund, sich zu schlagen und zu leben, wollte man abschaffen!
»Das ist idiotisch, das ist ja idiotisch! Niemals, hören Sie!«
»Warum niemals? Warum idiotisch? Machen wir innerhalb der Familie Gebrauch vom Geld? Dort finden Sie nur die gemeinsame Anstrengung und den Austausch … Wozu also noch Geld, wenn die Gesellschaft nur noch eine große Familie sein wird, die sich selbst regiert?«
»Ich sage Ihnen, das ist Wahnsinn …! Das Geld vernichten, wo doch das Geld das Leben selbst ist! Dann gäbe es ja nichts mehr, überhaupt nichts mehr!«
Außer sich lief er hin und her. Und als er in seiner Erregung am Fenster vorbeikam, versicherte er sich mit einem Blick, ob die Börse noch dastand, denn vielleicht hatte dieser schreckliche Bursche auch sie mit einem Atemzug hinweggepustet.
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