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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Maklerzimmer kamen, schritten Seite an Seite zur Corbeille, mit dem Ausdruck ungetrübter Kollegialität. Und doch wußten sie, daß sie Gegner waren in dem gnadenlosen Kampf, der seit Wochen tobte und der mit dem Ruin des einen von beiden enden konnte. Der kleine Mazaud mit seiner schmalen Taille eines gutaussehenden Mannes war von einer fröhlichen Agilität, in der sich zeigte, daß er bisher großes Glück gehabt hatte – mit zweiunddreißig Jahren hatte er das Maklerbüro eines Onkels geerbt. Jacoby hingegen, der ehemalige Prokurist, der nur dank den Kunden, die sich beteiligten, im Alter Makler geworden war, hatte die Korpulenz und den schweren Gang eines Sechzigers, ein ergrauter stämmiger Glatzkopf mit dem breiten Gesicht eines fröhlichen Genießers. Beide hatten ihr Börsenbuch in der Hand und plauderten über das schöne Wetter, so als wären auf diesen Blättern nicht die Millionen notiert, die sie wie Gewehrschüsse in dem mörderischen Getümmel von Angebot und Nachfrage aufeinander abfeuern sollten.
    »Eine ganz hübsche Kälte, was?«
    »Oh, stellen Sie sich vor, ich bin zu Fuß gekommen, so reizvoll fand ich das.«
    Vor der Corbeille angekommen, dem großen runden Becken, das noch nicht übersät war von unnützem Papier, von weggeworfenen Zetteln, blieben sie einen Augenblick stehen; an die rote Samtbrüstung gelehnt, die die Corbeille umgibt, redeten sie weiter banales, zusammenhangloses Zeug, während sie gleichzeitig aus dem Augenwinkel in den Umkreis spähten.
    Die vier kreuzförmigen, durch Gitter abgesperrten Gänge, eine Art vierzackiger Stern, der die Corbeille zum Mittelpunkt hatte, waren die geheiligte, dem Publikum verbotene Stätte. Zwischen den vorderen Zacken war auf der einen Seite ein weiterer Raum abgeteilt – für die Angestellten des Kassamarktes –, wo die drei Kursschreiber auf hohen Stühlen vor ihren ungeheuren Registerbüchern thronten, während auf der anderen Seite ein kleinerer, allgemein zugänglicher Raum, offenbar seiner Form wegen »Gitarre« genannt, den Angestellten und Spekulanten erlaubte, mit den Maklern direkt in Verbindung zu treten. In dem Winkel, den die beiden hinteren Zacken bildeten, wurde im dichten Gewühl der Markt der französischen Staatspapiere abgehalten, auf dem jeder Makler, ebenso wie auf dem Kassamarkt, durch einen eigens dafür beauftragten Angestellten mit eigenem Handbuch vertreten war; denn die Wechselmakler an der Corbeille befassen sich ausschließlich mit Termingeschäften und widmen sich ganz der schweren, zügellosen Arbeit des Börsenspiels.
    Aber als Mazaud im linken Gang seinen Prokuristen Berthier bemerkte, der ihm ein Zeichen machte, ging er hin und wechselte leise ein paar Worte mit ihm; denn die Prokuristen müssen sich in den Gängen in achtungsvoller Entfernung von der roten Samtbrüstung halten, die zu berühren keiner profanen Hand erlaubt ist. Jeden Tag kam Mazaud mit Berthier und seinen beiden Beauftragten für den Kassa- und den Rentenmarkt zur Börse; meistens schloß sich ihnen der Liquidator des Maklerbüros an und natürlich der Angestellte für die Depeschen, immer noch der kleine Flory, dessen Gesicht mehr und mehr in dem dichten Bart verschwand, aus dem man nur die zärtlichen Augen leuchten sah. Seit seinen zehntausend Francs Gewinn am Tage nach Königgrätz spekulierte Flory, den die Ansprüche der launisch und unersättlich gewordenen Chuchu verrückt machten, hemmungslos auf eigene Rechnung, übrigens ohne jedes Kalkül und ganz der Spekulation Saccards verschrieben, dem er blindgläubig folgte. Die Orders, die er kannte, die Telegramme, die durch seine Hände gingen, gaben ihm genügend Hinweise. Soeben kam er, beide Hände voll Depeschen, im Laufschritt vom Telegrafen aus dem ersten Stockwerk und mußte durch einen Aufseher Mazaud rufen lassen, der Berthier stehenließ und an die Gitarre trat.
    »Herr Mazaud, soll ich sie heute noch durchsehen und ordnen?«
    »Natürlich, wenn sie so massenhaft kommen … Was ist das denn alles?«
    »Oh, fast alles Kauf Orders für Universelle-Aktien.«
    Mit geübter Hand durchblätterte der Makler, sichtlich zufrieden, die Depeschen. Mit Saccard, dem er seit langem gegen Sicherheit beträchtliche Summen lieh und von dem er noch am Morgen riesige Kauforders bekommen hatte, geschäftlich eng verbunden, war er schließlich der offizielle Makler der Banque Universelle geworden. Und obschon er bis jetzt ohne größere Besorgnis gewesen war, wirkte diese fortwährende

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